Allen Lesern des Glossariums wünsche ich fröhliche Weihnachten
und ein ein glückliches neues Jahr 2015!!!
Mittwoch, 24. Dezember 2014
Freitag, 28. November 2014
Selbstbehauptung des Rechtsstaats
Selbstbehauptung des
Rechtsstaats
Den Feinden der
Freiheit gewährt der Staat gegenwärtig zu viel Spielraum
Das Bundesverfassungsgericht hat in einer
Grundsatzentscheidung das politische System der Bundesrepublik einmal als
„wehrhafte“ bzw. „streitbare“ Demokratie definiert. Eine wehrhafte Demokratie
schützt den Kernbestand der freiheitlich demokratischen Grundordnung (FDG) und
geht aktiv gegen jeden vor, der versucht, diese Prinzipien gewaltsam zu
beseitigen. Soweit die Theorie.
Ist die Bundesrepublik aber tatsächlich eine wehrhafte
Demokratie? Oder gleicht sie nicht vielmehr einem „zahnlosen Tiger“, der es
radikalen Kräften allzu einfach macht, demokratiefeindliche Parolen unters Volk
zu bringen? Schaut man sich aktuelle Entwicklungen um NSU-Terror, salafistische
Gewalttäter und rechte Hooligans an, scheint es um die wehrhafte Demokratie
nicht gut bestellt zu sein.
Demokratie, Rechtsstaat und individuelle Freiheit mögen für
uns selbstverständlich sein - bei Lichte besehen sind sie es nicht. Sie müssen vielmehr
immer wieder aufs Neue gegen ihre Feinde von links und rechts verteidigt
werden. Der Kampf gegen Rechts- und Linksextremismus, Antisemitismus, Rassismus
und Islamismus sollte elementarer Teil der Staatsräson sein - in Wort und Tat.
Es stimmt ja: rechtsextremes, demokratiefeindliches,
rassistisches und antisemitisches Gedankengut kann man nicht so einfach
verbieten. Der Staat muss aber die Kraft aufbringen, verfassungsfeindlichen
Parteien und Organisationen entschlossen entgegenzutreten. Dazu braucht es den
politischen Willen, vor allem aber mehr Geld und Personal bei Polizei und
Verfassungsschutz.
Die erste deutsche Demokratie, die Weimarer Republik, ist
nicht zuletzt an einem fehlenden Grundkonsens in Politik und Gesellschaft
zugrunde gegangen; es mangelte ihr an gemeinsamen Werten und Grundüberzeugungen.
Den Demokraten stand am Ende eine Übermacht radikaler Verfassungsfeinde
gegenüber, die zur allmählichen Erosion des Staates im Zeichen von Bürgerkrieg
und Straßenterror führten.
In allen Weltregionen, die gegenwärtig unter Krieg und Bürgerkrieg leiden, ist zumeist ein Fehlen staatlicher Strukturen auszumachen, die
für innere Sicherheit und Stabilität sorgen. Wo Staatszerfall herrscht,
versinken Gesellschaften rasch in Anarchie und Gewalt. Der entschlossene Umgang
mit den Gegnern der Freiheit ist daher ein Prüfstein für die Selbstbehauptung
des Rechtsstaats in einer wehrhaften Demokratie.
Der Philosoph Karl Popper hat einmal dafür plädiert, den
Feinden der Freiheit keine Freiheitsspielräume einzuräumen: „Im Namen der
Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, Intoleranz nicht zu
tolerieren.“ Die Stärke einer Demokratie erweist sich nicht zuletzt an ihrem
konsequenten Umgang mit radikalen Gegnern. Die Strategie im Umgang mit allen
demokratiefeindlichen Kräften kann daher nur lauten: Keine Toleranz.
Freitag, 31. Oktober 2014
„Bielefeld - das gibt’s doch gar nicht!“
„Bielefeld - das gibt’s
doch gar nicht!“
Die
Bielefeld-Verschwörung feiert in diesem Jahr ihren 20. Geburtstag
Alles fing mit einem harmlosen Satz auf einer Studentenparty
an. Ein Gast aus dem ostwestfälischen Bielefeld bekam vor rund 20 Jahren den
Spruch „Bielefeld - das gibt’s doch gar nicht!“ zu hören. Ein halbes Jahr
später war die Bielefeld-Verschwörung in der Welt. Ihr Urheber: Achim Held, ein
Informatiker aus Kiel, der ursprünglich eine Satire über die Wirkung von
Verschwörungstheorien im Sinn hatte.
Durch Helds Internetseite fand die „Verschwörung“ in dem
noch jungen Medium rasch eine virale Verbreitung. Die Satire entwickelte dabei eine
ebenso starke wie unheimliche Eigendynamik, die auch nach über 20 Jahren nichts
von ihrer Anziehungskraft verloren hat: Der Bielefeld-Fake
ist seitdem als satirischer Running-Gag aus dem deutschen Sprachgebrauch nicht
mehr wegzudenken.
Dabei wählte Achim Held für die Satire extra eine weitgehend
„farblose“ Stadt aus, wie er 2012 in einem Interview bekannte. Es hätte auch
jede andere x-beliebige Stadt der Größenordnung Bielefelds treffen können. Das
ostwestfälische Bielefeld ist letztlich eine austauschbare Chiffre für die
typisch deutsche Provinzstadt, von der es neben wenigen, echten Metropolen in
diesem Land eine ganze Menge gibt.
Spontan assoziiert man Bielefeld mit Pudding, Pizza und
Backtriebmitteln aus dem Hause Dr. Oetker; sodann kommt einem die Bielefelder
„Alm“ in den Sinn, das Stadion der Arminia, das heute emotionslos-kommerziell nach
einem Fensterhersteller „SchücoArena“ heißt. Vielleicht denkt man auch an die
„Bielefelder Schule“, den berühmten Historikerkreis um Hans-Ulrich Wehler und
Jürgen Kocka.
Niemand, der noch einigermaßen alle Sinne beisammen hat,
wird angesichts so vieler unwiderlegbarer Existenzbeweise die physische Realität
der Stadt Bielefeld ernsthaft anzweifeln wollen. Aber genau darum geht es ja in
der Satire: um die Absurdität aller noch so bizarren Verschwörungstheorien. Je
abwegiger eine Verschwörung erscheint, umso mehr Gründe finden sich für ihre
scheinbare Richtigkeit - nicht nur im Internet.
Im Falle Bielefelds waren dies u.a. die zahlreichen
Autokennzeichen mit der Buchstaben-kombination „Bi“; von den Anhängern der
Verschwörung wurden diese mit einem ehrfurchtsvollen „Die haben sogar so viel
Macht, um all die vielen Kennzeichen zu fälschen“ kommentiert. Bei diesem
Argumentationsmuster fühlt man sich unweigerlich an 9/11 oder die angeblich nicht erfolgte Mondlandung erinnert.
Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel verwies anlässlich der
Verleihung des Deutschen Sozialpreises 2012 auf die Bielefeld-Verschwörung, als
sie Gespräche mit Bürgern aus Bielefeld erwähnte und launig hinzufügte „...so
es denn existiert“. Das Stadtmarketing zur 800-Jahr-Feier der Stadt Bielefeld 2014
nahm die Verschwörung trotzig mit der munteren Parole „Das gibt’s doch gar
nicht“ auf.
Humor muss man eben haben.
Samstag, 27. September 2014
Erkenne dich selbst!
Erkenne dich selbst!
Der ewige Kampf
zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung bestimmt unser Leben
Kein Show-Konzept der vergangenen Jahre war in Deutschland
ähnlich populär wie das der Casting-Show. Ob „Deutschland sucht den Superstar“,
„Popstars“ oder „X Factor“ - das Format der Casting-Show war zuletzt phänomenal
erfolgreich. Kein Wunder: das Konzept ist simpel und setzt auf frische,
unverbrauchte Gesichter die gegeneinander antreten und dabei zu vermeintlichen „Stars“
aufgebaut werden.
Neben den unzweifelhaft vorhandenen Show-Talenten, die auf
diese Weise entdeckt werden, leben die Casting-Shows aber nicht zuletzt von den
Minderbegabten. Viele dieser nicht selten peinlichen Gestalten, die neben einem
klitzekleinen Talent zumeist ein übergroßes Ego mitbringen, dürfen sich Woche
für Woche vor einer prominenten Jury und, noch schlimmer, einem
Millionenpublikum blamieren.
Vor allem junge Leute, die, so darf man vermuten,
weltabgeschirmt wie „kleine Prinzen“ erzogen wurden und für die erbärmlichsten
Darbietungen von ihren Eltern und Freunden noch über den grünen Klee gelobt
werden, machen sich dabei nicht selten zum Gespött einer sensationshungrigen
Öffentlichkeit, die nichts so sehr liebt wie die Talentfreien,
Möchtegern-Begabten und Angeber bloßzustellen.
Woran aber liegt es, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung der
Showteilnehmer in einem nachgerade grotesken Missverhältnis stehen? Offenbar
gibt es einen verbreiteten Hang, sich selbst und seine Fähigkeiten zu
überschätzen. Viele jungen Leute erhalten für schlechte Vorstellungen keine
wirklich angemessene Kritik; wo eine realistische Einschätzung angebracht wäre,
wird leichtfertig Applaus gespendet.
Dabei unterliegen wir alle einer permanenten Bewertung;
diese beginnt bereits im Kindergarten und endet erst mit der letzten
Beurteilung durch den Arbeitgeber. Der ständige Konkurrenzdruck der
Ellenbogengesellschaft hat aber offenkundig bei vielen Menschen zu Hybris und
einer völligen Verzerrung des eigenen Selbstbildes geführt. Selbst- und
Fremdwahrnehmung sind dabei nicht mehr im Gleichgewicht.
Blick in den Spiegel: eine Form der Selbstwahrnehmung |
Das Ergebnis dieser falschen Selbsteinschätzung zeigt sich nicht selten in einem ungerechtfertigten Selbstbewusstsein. Das „Auf-dicke-Hose-machen“ ist die Folge eines gesellschaftlichen Phänomens sich so teuer wie irgend möglich zu verkaufen - koste es was es wolle. Die eigenen Talente werden dabei nicht mehr selbstkritisch und nüchtern eingeschätzt: Everybody wants to be a Superstar!
Für die Berufswahl kann die fehlerhafte Selbsteinschätzung
fatale Folgen zeitigen, denn Arbeitnehmer mit unbegründetem Selbstbewusstsein
werden ihre mangelnde Qualifikation irgendwann zu spüren bekommen. Nur Theater
zu spielen, noch dazu talentfreies Schmierentheater, reicht eben auf Dauer
meistens nicht. Das andere Extrem stellen Menschen dar, die ihre eigenen
Talente systematisch unterschätzen.
Sie geraten aus mangelndem Selbstbewusstsein oder Trägheit
in einen Job, der sie permanent unterfordert. Diese Gruppe hat nie gelernt, die
eigenen Fähigkeiten auszuloten und zielgerichtet zu verfolgen. Unzufriedenheit,
Resignation und „Bore-out“ sind daher bei Personen verbreitet, die ihr Licht
beständig unter den Scheffel stellen. Benjamin Franklin nannte solche Menschen
einmal „Sonnenuhren im Schatten“.
Dass es bei vielen Menschen zu einer gravierenden Diskrepanz
zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung kommt ist allerdings nicht ungewöhnlich, da
niemand aus der eigenen Haut schlüpfen kann, um sich aus neutraler Perspektive
objektiv zu bewerten. Ein vernünftiges Verhältnis zwischen Selbstwahrnehmung
und Fremdeinschätzung hinzubekommen ist ja auch kein einfaches Unterfangen.
Wie so vieles im Leben will auch das gelernt sein, daher
gilt: Erkenne dich selbst!
Freitag, 29. August 2014
Eine Partei verschwindet
Eine Partei
verschwindet
Die FDP könnte schon
sehr bald endgültig von der Bildfläche verschwinden
Nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Deutschen Bundestag vor
knapp einem Jahr sind die Liberalen fast völlig aus der öffentlichen
Wahrnehmung verschwunden. Dort, wo die FDP über Jahrzehnte hinweg die
politische Agenda mitbestimmte, haben es sich die Nachfolger von Union und SPD in
der „Groko“ gemütlich gemacht. Die FDP dagegen ist in Berlin zur außerparlamentarischen
Opposition geschrumpft.
Am Sonntag wird nun ein neuer sächsischer Landtag gewählt;
zwei Wochen später finden Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen statt.
Die FDP verteidigt in Sachsen die letzte schwarz-gelbe Regierungsbeteiligung,
die für lange Zeit das gängigste Koalitions-modell in Deutschland war. Wird
schwarz-gelb damit endgültig zum politischen Auslaufmodell, das bald nur noch
im Museum zu besichtigen ist?
Sachsen könnte der Auftakt zu einem weiteren Niedergang sein,
der in Thüringen und Brandenburg seine Fortsetzung findet. Die Umfragen in
allen drei Ländern sind schlecht, die FDP-Bundesspitze um Parteichef Christian
Lindner hat intern alle drei Wahlen bereits abgeschrieben. Auch wenn die FDP
gegenwärtig in immer noch neun von sechzehn Landtagen vertreten ist - es wird
zunehmend eng für die Partei.
Eine Partei, die nicht mehr dem Bundestag angehört und
dadurch weitgehend aus der öffentlichen Berichterstattung von TV-, Print- und
Online-Medien verschwunden ist, dringt nicht mehr durch. Die Mehrheit der
Wähler ist heutzutage fast ausschließlich über die Massenmedien zu erreichen; wenn
die Medienpräsenz einer Partei gegen Null tendiert, kann sie ihre politischen
Inhalte nicht mehr platzieren.
Zwar erregt die FDP in Thüringen und Brandenburg derzeit mit
Plakaten für Aufsehen, die mit teilweise lustigen Slogans wie „Keine Sau
braucht die FDP“ versehen sind. Auch wenn die Ergänzung mit dem Motto „Jeder
Brandenburger braucht die FDP“ auf dem Fuße folgte, die Rückkehr zum
selbstironischen Spaßwahlkampf wird das
politische Überleben der Liberalen kaum sichern können.
FDP-Wahlplakat: Bald auch verschwunden? |
Zumal die FDP von den Bundesbürgern derzeit kaum vermisst
wird. In dem vor Kurzem veröffentlichten ZDF-Politbarometer gaben 55 Prozent
der Befragten an, dass die FDP nicht mehr gebraucht werde; nur 38 Prozent der
Bürger halten die Liberalen nach wie vor wichtig für die Parteienlandschaft. Von
der FDP enttäuschte Anhänger liefen zuletzt in Scharen zur Alternative für
Deutschland (Afd) über.
Wird die FDP über kurz oder lang damit endgültig von der
Bildfläche verschwinden? Nun ist das mit dem „Verschwinden“ ja so eine Sache:
Man schrumpft, wird kleiner und kleiner bis irgendwann so rein gar nichts mehr
von der ursprünglichen Größe übrig ist. Gegenwärtig beschreitet die FDP genau
diesen Weg. Noch hat sie allerdings die Möglichkeit, den Sturz in das
endgültige politische Nirwana abzuwenden.
Ob ihr der Turnaround gelingt, wird sich am Sonntag zeigen.
Ganz nebenbei wird sich herausstellen, mit welchem künftigen Partner CDU-Ministerpräsident
Tillich in Sachsen regieren will. Zur Auswahl stehen dann vermutlich SPD, Grüne
oder gar die AfD. Die FDP wird es voraussichtlich nicht sein: nach dem
einstigen „Projekt 18“ hat sie sich gegenwärtig ganz und gar dem „Projekt Verschwinden“
verschrieben.
Montag, 25. August 2014
Willkommen im Kiez!
Willkommen im Kiez!
Was macht Berlin zur
vielleicht aufregendsten Metropole unserer Zeit?
Berlin ist ein Magnet. Tausende, vorwiegend junge Menschen
zieht es Jahr für Jahr in die deutsche Hauptstadt. Gegenwärtig wächst Berlin im
Jahr um etwa 40.000 Menschen. Zuletzt standen rund 160.000 Zuzügen nur 120.000
Abwanderungen entgegen: Ein beeindruckender Wert, den keine andere europäische
Kapitale derzeit erreicht. Berlin wächst und wächst - und kein Ende ist in
Sicht!
Was aber bewegt all die Neu-Berliner die vertraute
Sicherheit ihres angestammten Terrains in der alten Heimat gegen die zuweilen
unstete Existenz einer pulsierenden Metropole einzutauschen? Berlin ist Sehnsuchtsort
und Schmelztiegel aller Glückssuchenden: Die hippste und vielleicht coolste
Stadt der Welt lockt Menschen aus den verschiedensten Ländern und Kulturen mit
einem fulminanten Versprechen.
Es ist das Versprechen nach einer geradezu universellen
Freiheit, das sich das weltoffene und tolerante Berlin auf die Fahnen
geschrieben hat. Nicht ohne Grund: In Berlin zementierte die Mauer die deutsche
Teilung und wurde damit zum weltweiten Inbegriff von Unfreiheit und Diktatur im
Zuge der totalitären SED-Herrschaft. Freiheit scheint daher die Quintessenz
dieser so geschichtsträchtigen Stadt zu sein.
Berlin, das ist neben der Freiheit der unterschiedlichsten
Lebensstile wohl vor allem die Verheißung nach urbanen Abenteuern, exzessiven
Partys und einem contemporary way of
life am Puls der Zeit. Eingerahmt wird dieser Lifestyle von einer schicken
Architektur in quirligen Stadtteilen mit hoher Lebensqualität, einem breiten
kulturellen Angebot sowie lebenshungrigen Menschen aus aller Herren Länder.
Hotspot Eberswalder Straße: Mehr Berlin geht nicht |
Nach Berlin zu gehen entstammt nicht zuletzt dem Wunsch der
deutschen Provinz zu entfliehen. Das augenzwinkernde Pathos der Publizistin
Juleska Vonhagen bringt es auf den Punkt: „Jawohl, nach Berlin gehen. Nach Karlsruhe zieht man um, aber
nach Berlin geht man. Feierlich. Nach Berlin gehen ist Synonym für den
Aufbruch in eine neue Welt, für den Aufstieg von der Kreisliga in die Champions
League.“
Die verbreitete Berlin-Sehnsucht wird natürlich nicht von
allen Zeitgenossen geteilt. So konnte die Band „Kraftklub“ aus Chemnitz 2011
einen Hit landen mit dem Song „Ich will nicht nach Berlin“. Kraftklub
karikieren darin treffend den Berlin-Hype der vergangenen Jahre, indem sie sich
über die jutebeutel-tragenden Hipster aus Friedrichshain lustig machen, die
alle irgendwie „so’n Projekt“ am Start haben.
Berlin ist angesagt, belegt in einem ganz speziellen, internationalen
Städte-Ranking allerdings nur den 34. Platz: in Punkto Freundlichkeit. Die notorische
Schnoddrigkeit der berühmten Berliner Schnauze lässt grüßen! Eine Erfahrung,
die auch das jüngst nach Berlin umgezogene Glossarium machen durfte. An den
zuweilen rüden Umgangston der ansonsten herzlichen Ureinwohner wird man sich
indes gewöhnen.
Aber nicht alle die nach Berlin kommen bleiben. So wie die
rund 11 Millionen Touristen im Jahr. Das touristische Berlin boomt und hat
längst Städte wie Rom, Wien oder Madrid auf die Plätze verwiesen. Tendenz stark
steigend, was nicht zuletzt daran liegt, dass sich in Berlin immer noch
vergleichsweise billig leben lässt, auch wenn Kosten für Übernachtungen und
Mieten zuletzt stark angezogen haben.
Für alle Touristen und Neu-Berliner heißt es aber nun erst
einmal: Willkommen im Kiez!
Freitag, 4. Juli 2014
Kleine Blog-Sommerpause
Liebe Leser!
Das Glossarium verabschiedet sich in den wohlverdienten Jahresurlaub.
Ich wünsche meinen Lesern einen wunderschönen Sommer mit viel Sonnenschein.
Nach der Sommerpause geht es dann wie gewohnt mit dem Glossarium weiter!
Auf bald!
Das Glossarium verabschiedet sich in den wohlverdienten Jahresurlaub.
Ich wünsche meinen Lesern einen wunderschönen Sommer mit viel Sonnenschein.
Nach der Sommerpause geht es dann wie gewohnt mit dem Glossarium weiter!
Auf bald!
Samstag, 14. Juni 2014
Are you fit for fun?
Are you fit for fun?
Gutes Aussehen und
körperliche Fitness werden für viele Männer immer wichtiger
Alle Jahre wieder: Kaum dass die ersten Sonnenstrahlen den
nahenden Sommer ankündigen, der dann meist schneller als erwartet mit aller
Macht urplötzlich einfach „da“ ist, erinnern diverse Zeitschriftenartikel die
Männerwelt daran, dass der Body nun geschwind - noch vor Beginn der Badesaison
- in Form zu bringen sei.
Einschlägige Zeitschriftentitel wie „Fit for Fun“ befeuern alljährlich
diesen Trend zur maskulinen Selbstverbesserung. Mit Schlagzeilen wie „Sixpack
sofort!“ oder „Traumbody jetzt“ wird an das schlechte Gewissen vieler Männer
appelliert, die - von Winterspeck wie Bierkonsum gleichermaßen geplagt - schnelle
Abhilfe suchen.
Ein perfekter, makelloser Körper, ein durchtrainierter Body,
gutes Aussehen, kurzum: ein gepflegtes Erscheinungsbild - all diese Attribute
lasten seit Jahren auch auf den Schultern der Männerwelt. Waren Schönheit und
gutes Aussehen jahrhundertelang fast ausschließlich Frauensache, so haben die
Männer inzwischen gewaltig aufgeholt.
Seit Jahren stehen auch die Herren in einem permanenten
Wettbewerb der körperlichen Selbstverbesserung; zumindest in dieser Hinsicht
scheint die Gleichberechtigung tatsächlich verwirklicht. Für viele Männer ist
die Mitgliedschaft in einem der zahlreichen Studios der boomenden
Fitness-Industrie daher obligatorisch.
Folterkammer Muckibude: Gutes Aussehen um jeden Preis? |
Man pumpt, stemmt Gewichte und Hanteln und stählt den Körper
im Schweiße seines Angesichts. Die von der Fitness-Industrie versprochenen
Sofort-Ergebnisse lassen sich indes meist kaum realisieren. Wie bei den meisten
Dingen im Leben führen hingegen Ausdauer, Disziplin und langfristige Übung zum
Erfolg.
Immer mehr Freizeitsportler greifen daher auf verbotene
Substanzen, wie z.B. Anabolika zurück, um den Trainingserfolg schnell und
nachhaltig zu gestalten. Auch die Injektion von Botox, der Besuch im
Kosmetik-Studio oder sogar chirurgische Eingriffe im Gesicht gehören für viele
Männer mittlerweile dazu.
Sobald die Fliederblüte im Mai den Sommer ankündigt, appellieren
„Fit for fun“ & Co. die Männerwelt turnusmäßig an einen gewissen
Ertüchtigungsbedarf, indem sie durchtrainierte Männerkörper mit makellosen
Sixpacks auf ihren immergleichen Titeln präsentieren. So mancher Mann wird
dadurch mächtig unter Druck gesetzt.
Die Frage lautet, ob man sich diesem gesellschaftlichen
Druck, dieser permanenten Erwartungshaltung tatsächlich aussetzt, oder diese
schlicht und einfach ignoriert. Nichts spricht ja dagegen, den eigenen Körper
zu trainieren insbesondere dann, wenn man eher von gesundheitlichen als
ästhetischen Motiven geleitet wird.
Alles darüber hinausgehende sollte indes gut überlegt sein.
Also: Are you fit for fun?
Samstag, 7. Juni 2014
Faszination Fußball
Faszination Fußball
Donnerstag beginnt die
Fußball-WM. Muss Deutschland unbedingt den Titel holen?
Ich kann den Zeitpunkt gar nicht genau bestimmen, an dem ich
vom Virus Fußball befallen wurde. Tatsache ist: das Datum liegt schon einige
Jahrzehnte zurück. Ich glaube, es fing alles mit der Fußball-Weltmeisterschaft
1978 an. An einzelne Spiele kann ich mich zwar nicht entsinnen, jedoch an die
Enttäuschung über das frühe Ausscheiden der deutschen Mannschaft. Und an den
späteren Sieger Argentinien!
Nach 36 Jahren ist die WM nun also zurück in Südamerika.
Brasilien ist diesmal der Ausrichter; das Land schickt sich an, zum 6. Mal den WM-Titel
zu gewinnen. Aber auch die deutsche Öffentlichkeit fordert vehement den Pokal,
alles andere würde wohl als Enttäuschung gewertet werden. Nach vier Turnieren
ohne Titelerfolg müsste Bundestrainer Joachim Löw vermutlich seinen Hut nehmen
und zurücktreten.
Was einigermaßen bedauerlich wäre, denn schließlich ist in
der Ära Löw aus einem Land brachialer Rumpelfüßler eine Nation erstanden, die
sich an einem zuweilen brillant zelebrierten Offensiv-Fußball berauscht. Löw
hat allerdings auch begnadete Fußballer in seinen Reihen: Lahm, Götze, Khedira,
Schweinsteiger, Özil, Kroos und Müller sind allesamt Angehörige einer geradezu goldenen
Fußballer-Generation.
Deutschland ist seit der Ära Löw erstmals in der Lage, seine
Gegner mit spielerischen Mitteln zu besiegen - ein Novum in der Geschichte des
deutschen Fußballs, wenn man einmal von der legendären Mannschaft der EM 1972
absieht. Keine deutsche Mannschaft hat wohl mehr spielerische Qualität besessen
wie die heutige. Kein Wunder, dass der WM-Titel für weite Teile der
Öffentlichkeit Pflicht ist.
Alle Jahre wieder: König Fußball regiert |
Dabei sind internationale Titel, wie der WM- oder der
EM-Titel, nur schwer zu erringen und ein solcher Erfolg ist dementsprechend
schwer zu kalkulieren. Zuviel hängt von Unwägbarkeiten, vom Glück aber auch dem
Zufall ab; Verletzungen, Gelb-Sperren und die Tagesform tun ein Übriges.
Joachim Löw hat den deutschen Fußball durch seine spielerische Klasse zwar zu
internationaler Anerkennung geführt.
Und doch zählt für viele Fans einzig ein Titel, ob die
Mission „WM 2014“ letztlich als Erfolg oder Misserfolg zu werten ist. Auch das
Abschneiden des amtierenden Weltmeisters Spanien dürfte von großem Interesse
sein; zahlreiche Akteure der großen Mannschaft von 2010 sind noch aktiv, ob es
zur Titelverteidigung reicht, darf aber bezweifelt werden. Dies gelang bislang
nur Italien (1938) und Brasilien (1962).
Die diesjährige Weltmeisterschaft wird vor allem von aktuellen
Korruptionsvorwürfen um den Fußballweltverband Fifa überschattet. Nur das IOC
ist wohl noch geldgieriger und korrupter als die Fifa. Angesichts
überdimensionierter, halbfertiger Stadien, teurer Infrastruktur und riesiger
Investitionskosten sind die sozialen Proteste im Gastgeberland gegen die
ausufernde Größe dieser WM wohl unausweichlich.
Trotz alledem: Woher rührt die weltweite Faszination für den
Fußball? Fußball wird mit dem Fuß gespielt - das ist ebenso banal wie wahr. Jeder,
der schon mal gegen einen Ball gekickt hat weiß, wie schwer es ist, wie viel
Talent und Training es braucht, den Ball wie Mario Götze zu behandeln. Es hat
wohl mit der puren Schwierigkeit zu tun, Kabinett-stückchen mit dem Fuß zu
vollbringen - wo Menschen doch eigentlich die Hand bevorzugen.
Deutschland indes muss
nicht um jeden Preis den Titel holen - ein gutes Turnier zu spielen würde doch
eigentlich schon reichen.
Freitag, 30. Mai 2014
Lob der Lüge
Lob der Lüge
Warum das Flunkern ein
Mittel kluger Lebensführung ist
Jeder
kennt sie, gebraucht sie und geht ihr gelegentlich auf den Leim. Die
Rede ist von der Lüge, jener offenkundig unwahren Äußerung, die vom Lügner mit
der Absicht getätigt wurde, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen oder ein
Fehlverhalten zu kaschieren; sich selbst oder andere in besserem Licht zu
präsentieren oder aber um einer Strafe zu entgehen.
Die
Lüge ist dabei mindestens ebenso alt wie die Menschheit daselbst und mithin eine
echte Kulturtechnik. Seit Jahr und Tag wird allüberall gelogen, dass sich die
Balken biegen: Im Berufs- und im Privatleben, in der Werbung, im Vorstellungsgespräch
und natürlich in der großen Politik. Ganz zu Schweigen von den täglichen Lügen
der bunten Zeitung mit den großen Buchstaben.
Wer
kennt sie also nicht, die kleinen Lügen des Alltags, die es uns ermöglichen,
einen winzigen, aber zuweilen entscheidenden Vorteil zu schinden? Die geschönte
Altersangabe in Internetprofilen gehört ebenso dazu wie ein geheucheltes „Es
geht mir gut“. Auch vorgetäuschte, angeblich vorhandene Kenntnisse in CorelDraw,
SPSS oder Esperanto fallen unter die Lügen-Kategorie.
Unterschiedliche
Lebenssituationen erfordern allerdings differenzierte Formen des Lügens. Die
handfeste Lüge à la Barschel („Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort…“) ist von der situativen
Notlüge zu unterscheiden („Es ist nicht das, wonach es aussieht…“), die wiederum
von der Höflichkeitslüge zu scheiden ist. („Sie schauen aber fantastisch aus
heute!“)
Würde
man allen Menschen immer nur die Wahrheit entgegenschleudern, hätte man schon
recht bald keine Freunde mehr, denn nichts ist so verletzend und unhöflich wie
die Wahrheit. Allen Lügen gemein sind die sprichwörtlich kurzen Beine. Die
kleine Schwester der großen Lüge, das Flunkern, kommt dabei insgesamt
harmloser, weniger verschlagen und berechnend daher.
Das
Flunkern oder auch Schwindeln zeichnet sich durch ein maßvolles Absehen von der
Wirklichkeit aus. Auch die Eigenlüge, der Selbstbetrug, ist letztlich ein weit
verbreitetes Ritual, um vor sich selbst und einer allzu harten Realität zu
bestehen: „Man Alter, so schlimm ist der Bauch doch gar nicht“. Jeder hat ein
Selbstbild von sich im Kopf, das mit der Wirklichkeit nicht unbedingt in
Einklang steht.
Allgemein
neigt man dazu, sich selbst aufzuwerten, positiver und selektiver wahrzunehmen
als dies der tatsächlichen Lage entspricht. Die Lüge übernimmt hier die Funktion
der Identitätsbewahrung und Realitätsbewältigung: das Leben wird durch die Lüge
überhaupt erst aushaltbar. Aus dieser Perspektive gerät der Selbstbetrug zum
strukturbildenden Prinzip der menschlichen Existenz überhaupt.
Das
Flunkern avanciert - wohldosiert eingesetzt - zu einem Mittel kluger
Lebensführung. „Leben lernen“ bedeutet in der postmodernen Gesellschaft zu
einem gewissen Grad wohl auch „Lügen lernen“. Indes, da gab es doch noch das
achte Gebot: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“ Und
außerdem: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“. Oh je, auch wieder wahr.
Wie
eng Lüge und Wahrheit miteinander verwoben sind, wie sie einander bedingen und sich
dabei gegenseitig beeinflussen, hat der österreichische Schriftsteller Thomas
Bernhard (1931-1989) erkannt und dereinst ebenso lakonisch wie zutreffend
formuliert: „Letzten Endes kommt es immer nur auf den Wahrheitsgehalt der Lüge
an“. Wie wahr.
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