Donnerstag, 28. Dezember 2017

Der Niedergang der SPD

Der Niedergang der SPD
Die Geschichte der SPD und ihrer Wählerschaft ist die Chronik einer allmählichen Entfremdung

20,5 Prozent. Das ist das erschütternde Ergebnis, das die SPD bei der vergangenen Bundestagswahl eingefahren hat. 20,5 Prozent. Man muss sich diese Zahl wieder und wieder vor Augen führen, um das ganze Ausmaß des Niedergangs der einst so großen und stolzen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu begreifen. Die SPD hat im September diesen Jahres nicht einfach nur eine Wahl verloren, sie hat in geradezu epischem Ausmaß Schiffbruch erlitten. Bereits um 18.03 Uhr trat am Wahlabend ein sichtlich konsternierter Kanzlerkandidat vor die Kameras, um voreilig den Gang der SPD in die Opposition zu verkünden und damit die ungeliebte große Koalition demonstrativ zu beenden. Martin Schulz kündigte zudem an, die SPD personell und inhaltlich zu erneuern. „Wir haben verstanden" schien der geneigte Beobachter den großspurigen Ankündigungen eines vermeintlich geläuterten SPD-Vorsitzenden zu entnehmen.

Doch geschehen ist seitdem das genaue Gegenteil. Die SPD hat weder inhaltliche Konsequenzen aus der Wahlschlappe gezogen, noch ihr Personal ausgetauscht. Martin Schulz wurde im Dezember erneut zum Vorsitzenden und Andrea Nahles zur Fraktionsvorsitzenden im Bundestag gewählt; auch die stellvertretenden Parteivorsitzenden sind im Großen und Ganzen die alten geblieben. Dabei hätte die SPD einen personellen und programmatischen Neuanfang bitter nötig. Warum aber ist die SPD bei den Landtagswahlen des Jahres 2017 und vor allem bei der letzten Bundestagswahl so derart abgestürzt und hat dabei ihr schlechtestes Wahlergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik eingefahren? Offenkundig gelingt es der Partei gegenwärtig nicht mehr, ihr klassisches Milieu für die Politik der SPD zu begeistern; auch ihre Fähigkeit zu ergründen, was die Menschen wirklich umtreibt und bewegt, ist der Partei abhanden gekommen. Der Slogan „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ stellt mithin den Höhepunkt einer allmählichen Entfremdung zwischen Wählerschaft und SPD dar.

Denn die Wähler haben dem zentralen Wahlversprechen nach mehr Gerechtigkeit eine demonstrative Absage erteilt da sie wohl instinktiv gespürt haben, dass derlei hehre Ziele durch Politik kaum je zu erreichen sind. Wenn man diese Welt mit wenigen Begriffen umschreiben müsste, fiele einem zweifellos auch der Begriff „ungerecht“ ein. Ein Umstand, den auch eine SPD über Nacht nicht verändern kann. Wer beim Wähler dessen ungeachtet eine solch hohe Erwartungshaltung nach „mehr Gerechtigkeit“ weckt, sollte sich nicht wundern, wenn die meisten Bürger realistischer denken und diesen utopischen Weg nicht mitgehen. Zumal die SPD seit 1998 an vier Bundesregierungen beteiligt war und durch die Hartz-Reformen und die vergangenen Rentenkürzungen maßgeblich für neue Ungerechtigkeiten verantwortlich zeichnet. Dass sich diese Partei nun aufschwang, von mehr Gerechtigkeit zu schwadronieren, erschien infolgedessen einigermaßen unglaubwürdig. Kurzum - die SPD lag mit ihrer zentralen Wahlkampfbotschaft komplett daneben. Auch der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, der auf dem Wahlparteitag im März 2017 mit 100 Prozent noch ein Honecker-Jubelergebnis einfahren konnte, stellte sich im Wahlkampf als der wohl schwächste sozialdemokratische Bewerber fürs Kanzleramt seit 1949 heraus.

Parteichef Schulz (r.), Vize Stegner nach der NRW-Wahl

 Martin Schulz war es zwar gelungen, seine Genossen zu einen und von sich zu überzeugen, beim Wähler kam der rhetorisch wenig begabte und weitgehend charismalose Politiker jedoch nicht an. Schulz wurde von den meisten Menschen letztlich als ein für das Kanzleramt ungeeigneter, zuweilen linkisch agierender, sich widersprüchlich äußernder früherer EU-Apparatschik wahrgenommen, der keine wirkliche personelle Alternative zur „ewigen“ Kanzlerin darstellte. Sowohl der Kandidat als auch seine zentralen Wahlkampfbotschaften waren demnach die falschen. Denn die Menschen waren im zurückliegenden Jahr - die Kölner Silvesternacht 2015/16 war noch frisch im Gedächtnis verankert - vor allem an der Lösung der Migrationskrise und an Fragen der inneren Sicherheit im Land interessiert. Die SPD antwortete darauf mit der Forderung nach einer Bürgerversicherung, einer Reichensteuer, der Ehe für Alle und eben jenem verquasten Slogan nach mehr sozialer Gerechtigkeit. Sie hat damit unter Beweis gestellt, dass ihre Politikangebote völlig an der Lebensrealität der meisten Menschen im Land vorbeigehen. Die SPD verfolgte einmal mehr vor allem die Besserstellung gesellschaftlicher Minderheiten; der Draht zum Normalbürger, zur Mitte der Gesellschaft und ihrer berechtigten Anliegen ging darüber auf dramatische Art und Weise verloren.

Dies wurde nicht zuletzt nach dem „Umfallen“ der Partei im Zuge der Weichenstellung für eine neuerliche großen Koalition deutlich. Das wenig professionelle Agieren nach der Wahl wurde von politischen Forderungen an die Union flankiert, die erneut jedes Augenmaß und jeden Bezug zur politischen Realität vermissen lassen. Insbesondere der von der SPD aus humanitären Gründen geforderte Familiennachzug für Flüchtlinge steht den Interessen der meisten SPD-Wähler diametral entgegen. Denn die bemerken vor Ort sehr gut, wie sich ihre Stadtteile schleichend aufgrund der seit 2015 vollzogenen, ungeregelten Massenzuwanderung im Zuge der Flüchtlingskrise verändert haben. Der zeitweilige Kontrollverlust und das Gefühl vieler Bürger fremd im eigenen Land zu sein, haben viel Vertrauen in Staat und Parteien verspielt und zum Erstarken der rechtspopulistischen AfD geführt. Dass gerade die klassische SPD-Klientel in sozialschwachen Arbeiterstadteilen mit den negativen Folgen der Zuwanderung im Alltag alleingelassen wird, zeigt, wie realitätsenthoben die elitären Genossen in Bund und Ländern mit ihren universalistischen Forderungen agieren. Dabei wird der Familiennachzug besonders von der SPD mit ihren notorischen Neigungen zu weltumspannenden Fensterreden und einer Moralisierung des Politischen zum Allheilmittel für alle Probleme rund um das Thema Zuwanderung und Integration verklärt.

Der geforderte Familiennachzug wird aber alle bisher vorhandenen Probleme eher noch verschärfen denn lösen, er wird die Menschen zu weniger Integration und Anstrengung animieren, vorhandene Parallelgesellschaften befördern und auch die Islamisierung mit hoher Wahrscheinlichkeit verstetigen. Wer das nicht für möglich hält, sollte einmal nach Frankreich blicken, wo vor 40 Jahren eine ebensolche Entwicklung einsetzte. Dort hatte man seit den 1950er Jahren Migranten als billige Arbeitskräfte für die französische Industrie nach Frankreich geholt. Die Anwerbung von Arbeitskräften aus den Maghrebstaaten wurde zwar in den 1970er Jahren gestoppt, die Menschen erhielten jedoch das Recht zu bleiben und ihre Angehörigen nachzuholen. Der französische Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing und sein Premierministier Jacques Chirac verabschiedeten 1976 ein entsprechendes Gesetz zur Familienzusammenführung. Was letztlich als humanitäre Geste gut gemeint war führte zu einer zahlenmäßig starken Einwanderung von weitgehend unqualifizierten Menschen aus der früheren französischen Kolonie Algerien, auf die das Land schlecht vorbereitet war.

Die Konsequenzen dieser Einwanderungswelle aus Nordafrika, die kaum sozial flankiert und durch ausreichende finanzielle Mittel und Arbeitsplatzangebote abgesichert wurde, lassen sich heute in jeder größeren Stadt Frankreichs besichtigen: Banlieues, Vorstadt-Ghettos, soziale Verwahrlosung, Arbeitslosigkeit, Gewalt, Kriminalität und Frustration bis hin zu Islamisierungstendenzen haben sich zu einem gefährlichen sozialen Sprengstoff im Land verdichtet. Den rechtsradikalen Front National Marine Le Pens würde es ohne die aus der Einwanderung resultierenden Probleme wohl kaum geben. Gelegentlich kann es also nicht schaden, in die Geschichte zu schauen, um daraus Lehren für die eigene Gegenwart und Zukunft des Landes abzuleiten. Auch Schulz’ radikaleuropäischer Vorschlag, die „Vereinigten Staaten von Europa“ zu begründen und alle Länder, die diesen Schritt nicht mitgehen wollen, kurzerhand aus dem Staatenbund herauszuschmeißen, sorgt bei vielen Menschen vor Ort nur noch für fassungsloses Kopfschütteln. Denn die meisten Menschen sehen im demokratischen Nationalstaat nicht das zentrale Problem das es zu überwinden und gegen Europa auszuspielen gelte, sondern vielmehr den Hort für ökonomischen Wohlstand, innere Sicherheit und regionale Heimatverbundenheit - wohlgemerkt in einem vereinigten Europa der Völker.

SPD-Wahlplakat: ist der Niedergang noch aufzuhalten?

 Was das alles nun für die SPD bedeutet? Die SPD sollte wieder in ihre Basis hineinhören und ergründen, was den Leuten wirklich unter den Nägeln brennt. Sie sollte akzeptieren, dass die Menschen, die hier Steuern und Beiträge zahlen im Gegenzug in Ruhe und Frieden arbeiten und leben möchten, um am Ende ihres Arbeitslebens eine auskömmliche Rente beziehen zu können. Die SPD sollte realisieren, dass sie nicht alle Probleme dieser Welt hierzulande lösen kann und sich in erster Linie - bei aller Solidarität mit den Mühseligen und Beladenen in den Krisenregionen - um die Alltagssorgen der hier lebenden Bevölkerung zu kümmern hat, ansonsten wird sich eine inzwischen bedrohlich stark gewordene AfD dieser Aufgabe zuwenden. Die SPD sollte sich daher wieder verstärkt um ihre Kernklientel, um die sogenannten kleinen Leute, die Abgehängten aber auch um die hart arbeitende Mitte der Gesellschaft kümmern, die den Laden tagtäglich am Laufen hält.  Sie sollte sich von ihrem humanitär-moralischen Rigorismus verabschieden und wieder den gesunder Menschenverstand zur Geltung bringen, der sie früher einmal ausgezeichnet hat. Und sie sollte sich zu ihren historischen Wurzeln im Sinne einer modernen, im Gegensatz zur AfD zivilen Religionskritik bekennen, wie sie es im 19. Jahrhundert in der Auseinandersetzung mit dem klerikalen Christentum getan hat. Denn auch das Anwachsen des religiösen Fundamentalismus und die islamistische Terrorgefahr treiben die Menschen vor Ort um; Islamkritik pauschal als „Rassismus“ oder „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ zu diffamieren, wie es das Parteiestablishment gerne tut, zeigt nur, wie weit sich die Eliten in der SPD von den Sorgen der Menschen mittlerweile entfernt haben.

Schließlich sollte die SPD einer dritten Auflage einer großen Koalition binnen 12 Jahren eine Absage erteilen. Sie sollte sich kein weiteres Mal als Königsmacher für eine letzte Amtszeit Angela Merkels zur Verfügung stellen. Denn die Partei würde in der Regierung nur weiteres Profil verlieren, da die erhoffte Regeneration und Neubesinnung in der Opposition ausbliebe. Die SPD sollte sich vielmehr als konstruktiver Partner für die Duldung einer von CDU/CSU geführten Minderheitsregierung anbieten. Auch so kann verantwortliches politisches Handeln in einer Demokratie aussehen! Denn bei Lichte besehen ist die SPD seit der Bundestagswahl politisch insolvent, ihre Beziehung zu den Bürgern nachhaltig gestört. Ein erneuter Eintritt in eine vom Wähler mehrheitlich nicht gewollte große Koalition würde nichts anderes als eine Insolvenzverschleppung darstellen, die den Fortbestand der Partei ernsthaft gefährden würde. In nicht allzu ferner Zukunft könnte die SPD bei Wahlen dann gar hinter der AfD oder der Linken landen. Die strukturelle Schwäche der sozialistischen Parteien in Europa, die in Frankreich, den Niederlanden oder in Griechenland zuletzt nur noch einstellige Wahlergebnisse erzielen konnten, sollte der SPD als Warnung genügen. Denn nur wer sich beizeiten neu erfindet und auch personell umfassend erneuert, wird die kommenden Zeiten überdauern.  

Hat die SPD die Zeichen der Zeit erkannt? Es sieht nicht wirklich danach aus. Das letzte Kapitel im finalen Niedergang der SPD wird wohl erst noch geschrieben werden müssen. 

Samstag, 31. Dezember 2016

Guten Rutsch!

                     



                   Das Glossarium wünscht einen guten Rutsch ins neue Jahr 2017!!!


Mittwoch, 28. Dezember 2016

Mainz bleibt Mainz!

Mainz bleibt Mainz!
Das ZDF versucht seine Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Ausgerechnet mit Hilfe der „Forschungsgruppe Wahlen“

Das Jahr 2016 fing nicht gut an für das ZDF. Die Vorkommnisse in der Silvesternacht auf der Domplatte in Köln hatte man tagelang schlicht ignoriert. Selbst am Abend des 4. Januar, als zahlreiche Internetportale, Agenturen und die Tagesschau bereits über die Vorfälle aus Köln berichteten, blieb das ZDF stumm. Der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen schrieb am Tag darauf auf Facebook und Twitter:

"Die Nachrichtenlage war klar genug. Es war ein Versäumnis, dass die 19-Uhr-heute-Sendung die Vorfälle nicht wenigstens gemeldet hat. Die heute-Redaktion entschied sich jedoch, den geplanten Beitrag auf den heutigen Tag des Krisentreffens zu verschieben, um Zeit für ergänzende Interviews zu gewinnen. Dies war jedoch eine klare Fehleinschätzung."

Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erhob in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegen das ZDF. Friedrich sprach von einem "Schweigekartell" und unterstellte, dass es offenbar "Nachrichtensperren" gebe, sobald es um negative Berichterstattung gegen Ausländer gehe. Der Politiker äußerte den Verdacht, „dass die gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Medien ihrem Informationsauftrag nur noch unzureichend nachkommen".

Viele Zuschauer haben sich im vergangenen Jahr über Manipulations- und Erziehungs-versuche von ARD und ZDF beschwert. Nicht zuletzt im heute journal des ZDF wurden immer wieder Beiträge gesendet, in denen gelungene Integrationsbeispiele gegen Ende der Sendung thematisiert wurden. Durch eine zuweilen rührselig gefilmte Story wurde dabei des Öfteren versucht, die Zuschauer mit der umstrittenen Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zu versöhnen.

Auch die häufige Verwendung von emotionalisierenden Bildern mit weinenden Kindern in Flüchtlingstrecks sollte beim Zuschauer wohl an Beschützerinstinkte appellieren. Als bleibender Eindruck hat sich seitdem verfestigt, dass im vergangenen Jahr die neutrale Berichterstattung des ZDF zugunsten eines permanenten politischen Kommentars ersetzt wurde. Das ZDF, schon zu Kohls Zeiten traditionell der „Regierungssender“, scheint sich über die Jahre hinweg treu geblieben zu sein: „Mainz bleibt Mainz!“

Zudem ist die Political Correctness (PC) mittlerweile auch in den Redaktionsstuben des ZDF angekommen. Die aus den USA stammende PC hat mit dazu beigetragen, dass es häufig zu falsch verstandener Zurückhaltung in der Berichterstattung gekommen ist - wohl um keine Ressentiments in der Bevölkerung zu schüren. Denn der Code der PC sortiert nicht nur bestimmte Begriffe als „nicht opportun“ aus, er bestimmt auch im Sinne des „moralisch Guten“, über was in welcher Form berichtet wird. 


Facebook-Auftritt der ZDF-heute-Sendung

Kaum ein Jahr nach Silvester sieht sich das ZDF dazu veranlasst, seine Reputation mit Hilfe einer „Glaubwürdigkeitsstudie“ wiederherzustellen und fasst die Ergebnisse auf Facebook wie folgt zusammen: „Das Vertrauen in die Berichterstattung von Qualitätsmedien bleibt hoch – trotz "Lügenpresse"-Vorwürfen. Nach einer aktuellen repräsentativen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen genießen Nachrichten der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender die höchste Glaubwürdigkeit.“

Durchgeführt wurde die repräsentative Umfrage von der "Forschungsgruppe Wahlen“, also jenem Institut, dass Hillary Clinton bei der US-Wahl stets deutlich vorne gesehen hat, einen Brexit kategorisch ausschloss und überdies seit 1965 eng mit dem ZDF verbandelt ist. Das ZDF ist bis heute der einzige Auftraggeber der „Forschungsgruppe Wahlen“; ihre demoskopischen Umfragen werden nach eigenen Angaben ausschließlich durch Mittel des ZDF finanziert.

Jetzt eine „Glaubwürdigkeitsstudie“ im beinah hauseigenen Institut der „Forschungs-gruppe Wahlen“ in Auftrag zu geben, ist in etwa einem Pharmahersteller vergleichbar, der aufgrund eigener Laboranalysen zu dem Ergebnis kommt, dass seine Produkte am wirkungsvollsten gegen Rückenschmerzen helfen. Hier handelt es sich wohl weniger um eine „repräsentative Meinungsumfrage“ als um lupenreines Marketing.

Bei einer Studie, die sich „repräsentativ“ nennt, aber mit einer Datenbasis von lediglich 1000 befragten Erwachsenen auskommt, können überdies Zweifel an ihrem Aussagewert aufkommen. Auch stellt sich die Frage nach der Validität des Panels, was die Heterogenität der ausgewählten Befragten angeht. Handelt es sich nicht vielleicht eher um ein Meinungsbarometer bzw. einen flüchtigen Stimmungstest? Wo ist die notwendige Distanz zum Auftraggeber der Studie?

Um es an dieser Stelle klar zu sagen, der Begriff „Lügenpresse“ ist für die Berichterstattung von ARD und ZDF fehl am Platz, denn die meisten Meldungen sind inhaltlich nicht zu beanstanden. Überdies handelt es sich hier um einen Kampfbegriff, der in perfider Weise von den Nationalsozialisten eingesetzt wurde. So verwendeten Hitler und besonders Goebbels den Begriff der „Lügenpresse“, um die Auslandsmedien der späteren Kriegsgegner USA und Großbritannien herabzuwürdigen.  

Für das neue Jahr sollte sich der Mainzer Sender allerdings an den Worten des verstorbenen ARD-Anchormans Hans-Joachim Friedrichs und dessen Credo einer auf neutralen Grundsätzen basierenden Berichterstattung orientieren: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache - auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört.“

Anderenfalls wird „Mainz bleibt Mainz!“ nicht nur zum Synonym für die alljährliche Karnevalssitzung sondern zum Schlagwort für den Glaubwürdigkeitsverlust des ZDF. 

Dienstag, 26. April 2016

Sehr zum Wohl!

Sehr zum Wohl!
Das deutsche Reinheitsgebot feiert in diesen Tagen runden Geburtstag

500 Jahre sind kein Pappenstiel. Das wohl älteste Lebensmittelgesetz aus deutschen Landen, das Bier-Reinheitsgebot, wird in diesen Tagen 500 Jahre alt. 1516 wurde auf dem Ingolstädter Landtag beschlossen, dass „allain Gersten, Hopffen un wasser genomen un geprauche sölle werdn“. Von Hefe, verantwortlich für die alkoholische Gärung, war damals noch keine Rede - sie wurde erst viel später entdeckt.

Die deutschen Brauer nehmen den runden Geburtstag zum Anlass, den Blick auf die eigene Zunft zu lenken. In keinem anderen Land der Welt existieren so viele Brauereien, die in Familienbesitz sind. Neben dem beliebten Pils werden lokal und regional die unterschiedlichsten Biere gebraut: Export-, Weizen-, Stark-, Alt- und Kölsch-Biere. Ausländische Brauereien müssen sich nicht an das Reinheitsgebot halten.

Internationale Brauereikonzerne fassen seit einigen Jahren auf dem heimischen Biermarkt Fuß. So gehören Marken wie Hasseröder, Beck’s und Diebels zum belgischen Anheuser-Busch-Konzern. Auch Heineken aus Holland (Paulaner, Kulmbacher) und der dänische Carlsberg-Konzern (Holsten, Astra, Hannen) sind erfolgreich mit ihren Marken auf dem begehrten deutschen Markt vertreten.

In Radeberger-Besitz: Berliner Biermarken

In Deutschland beherrscht der Oetker-Konzern, den man gemeinhin eher mit Backpulver und Tiefkühlpizza in Verbindung bringt, die Szene. Zur konzerneigenen Radeberger-Gruppe mit den Marken Radeberger, Jever und Schöfferhofer gehören inzwischen auch die traditionellen Berliner Biermarken: Schultheiss, Berliner Kindl und Berliner Pilsner. Sie werden allesamt am Standort Berlin-Lichtenberg gebraut.

Zur Radeberger-Gruppe zählen u.a. auch alle Biere aus der ehemals bedeutenden Bierstadt Dortmund mit Marken wie DAB, Ritter, Brinkhoff’s No. 1 oder Dortmunder Thier Pils. Daneben sind vor allem die großen Marken Krombacher, Bittburger, Warsteiner und Oettinger Marktführer in einer Branche, die nicht zuletzt aufgrund veränderter Geschmäcker und der demographischen Entwicklung unter Druck steht.

In Berlin sprießen derzeit Mikrobrauereien aus dem Boden, die dem industriell gefertigten Massenbierausstoß handwerklich gebrautes Craft-Bier entgegensetzen. Die Craft-Brauer dürfen dem Bier in ihren obergärigen Sorten Aromen und Zusatzstoffe hinzufügen. Dem beliebten Pilsener-Bier, das es auf einen Marktanteil von über 50 Prozent bringt, können die modischen Craft-Biere allerdings kaum gefährlich werden.

Früher Schultheiss, heute Kultur: die Berliner Kulturbrauerei

Das untergärige Pils, das stärker gehopft wird als andere Biere und daher seinen typischen, hopfig-herben Geschmack erhält, ist das Lieblingskind des echten Bier-Connoisseurs. Übrigens - einem populären Irrtum zufolge braucht ein gutes Pils sieben Minuten für den Zapfvorgang. Das ist freilich viel zu lang: in schon drei Minuten ist ein Pils frisch gezapft und mit einer hübschen Schaumkrone versehen.

Na dann, Prosit und auf weitere 500 Jahre Reinheitsgebot! 

Mittwoch, 30. März 2016

„Currywurst - dit isst Berlin!“

„Currywurst - dit isst Berlin!“
Die Currywurst ist ein echtes Berliner Original. Oder etwa nicht?

Die Currywurst gilt neben Berliner Weiße, Buletten und Schrippen (Brötchen) als das kulinarische Original des kleinen Mannes im großen Berlin. Auf diese Idee muss man ja auch erst einmal kommen: eine in Stücke geschnittene Bratwurst in einer ketchup-ähnlichen Tomatensauce zu versenken und diese mit Currypulver und allerlei exotischen Gewürzen garniert zu servieren. Herta Heuwer aus Charlottenburg hatte sie - als erste.

An einem Septembertag im Jahr 1949 probierte die Imbissbudenbesitzerin in ihrem Berliner Kiosk verschiedene Saucenkombinationen aus. Schon bald rannten ihr die Leute buchstäblich die Imbissbude ein, Herta Heuwers Currywurst entwickelte sich zum Verkaufsschlager. Die Rezeptur ihrer Soße blieb freilich streng geheim, Frau Heuwer ließ sich ihre Kreation später sogar vom Münchner Patentamt sichern.

Doch auch andere Städte und Regionen haben die Erfindung der Currywurst für sich reklamiert. Uwe Timm hat in seinem Roman „Die Entdeckung der Currywurst“ der selbigen ein literarisches Denkmal gesetzt, freilich nicht ohne die fiktive Handlung frecherweise nach Hamburg zu verlegen. Nicht ganz grundlos, denn Timm wurde in der Hansestadt geboren und wollte Hamburg wohl was Gutes tun. 

Wurst-Institution: Konnopke’s Imbiss an der Schönhauser Allee
Aber auch das Ruhrgebiet wird immer wieder mit der Currywurst assoziiert. Weniger mit ihrer Entstehungsgeschichte, dafür umso mehr aufgrund ihrer kulinarischen Boden-ständigkeit als Volksimbiss, denn die Currywurst passt perfekt zum Malocherimage des einstigen Kohlereviers. Der Duisburger Horst Schimanski und der Bochumer Herbert Grönemeyer („Currywurst“) haben sie auf ihre jeweilige Weise populär gemacht.

In Berlin hat man die Wurst vor einigen Jahren sogar ins Museum verfrachtet: Das Deutsche Currywurst Museum präsentiert die Geschichte der Wurst in zahlreichen Facetten. Als berühmteste Grillbuden der Stadt gelten das „Curry 36“ in Kreuzberg, das „Krasselt’s“ in Steglitz sowie „Konnopke’s Imbiss“ im Prenzlauer Berg. Hier wurde 1960 die erste Currywurst der DDR verkauft - als lupenreines West-Imitat.

Imbissbuden prägen vielerorts das Stadtbild, sie sind in Zeiten des veganen Hypes die unverbesserliche, typisch deutsche Fast-Food-Variante. Am früheren Standort ihres Imbisses haben die Berliner der 1999 verstorbenen Erfinderin der Currywurst übrigens ein Denkmal gesetzt. Dort befindet sich eine Gedenktafel, die auf Herta Heuwer und ihre Entdeckung verweist. Als Zusatz könnte dort stehen: „Currywurst - dit isst Berlin!“

Herta Heuwer hätte das vermutlich gefallen. 


Sonntag, 10. Januar 2016

Die Zeit, die Zeit

Die Zeit, die Zeit
Gedanken zum Jahresanfang: Über das Wesen der Zeit

„Allem Anfang wohnt ein Zauber inne“ heißt es. Darin kommt die Hoffnung zum Ausdruck, dass jeder Neustart die Dinge positiv verändern kann. Der Jahresanfang ist ein solcher Neubeginn, der vielfach mit Vorsätzen, Wünschen aber auch Sorgen einhergeht. Das Ende des alten und der Beginn eines neuen Jahres markieren eine Wegscheide. Grund genug, sich einmal mit dem Wesen der Zeit zu befassen.

Zeit - das ist am Anfang eines Jahres zunächst einmal der Zeitsprung vom alten in ein neues Jahr. Die Zeit wird im täglichen Leben vor allem durch messbare Einheiten erfahren: Jahre, Monate, Wochen, Tage, Stunden, Minuten und Sekunden. Das ist jedoch nur die äußere Gestalt der Zeit, ihre messbare Seite, die ganz und gar menschengemacht ist. Aber die Zeit ist mehr als das.

In unserer subjektiven Wahrnehmung wird die Zeit nicht nur durch den Kalender und die Uhr, also den Instrumenten zur Messung der Zeit erlebt, sondern auch durch die Jahreszeiten zyklisch strukturiert. Die Jahreszeiten fungieren als Beharrungskräfte gegen den Mahlstrom der Zeit. Sie sind die wiederkehrenden, äußerlich sichtbaren Rituale eines ständigen Werdens und Vergehens, die zum Innehalten einladen.

Der zyklische Rhythmus der Jahreszeiten gibt ähnlich den Mond- oder Sonnenphasen Orientierung und Sicherheit im Kampf gegen die Linearität einer unaufhaltsam verstreichenden Zeit. Der Philosoph Hegel hat mit dem Begriff der „Furie des Verschwindens“ die Schreckensherrschaft der Französischen Revolution bezeichnet. Er lässt sich jedoch auch vorzüglich auf die Zeit anwenden.

Die winterliche Weltzeituhr auf dem Berliner Alexanderplatz

Konstitutiv für die Zeit ist, dass sie permanent vergeht. Was eben noch Zukunft war ist im Nu bereits in der Gegenwart angelangt um einige Momente später bereits wieder Vergangenheit zu sein. Gegenwart ist also immer: Solange man am Leben ist, gibt es ein Jetzt. Vergangenheit wird dabei durch Erinnerung vergegenwärtigt, festgehalten und auf diese Weise vor dem endgültigen Verschwinden bewahrt.

Der Philosoph Rüdiger Safranski hat es in seinem Buch „Zeit“ (2015) so formuliert: „Die Zeit bewirkt, dass wir einen schmalen Streifen von Gegenwärtigkeit bewohnen, nach beiden Seiten umgeben von einem Nicht-Sein: das Nicht-Mehr der Vergangenheit und das Noch-Nicht der Zukunft“. Die Zukunft kommt der Gegenwart entgegen um nach einem kurzen Moment Gegenwärtigkeit selbst zur Vergangenheit zu werden.

Der Mensch ist im Gegensatz zum Tier ein Wesen, das ein Zeitgefühl hat und mit dem Wissen um den eigenen Tod ausgestattet ist. Die menschliche Sorge aus dem Dasein ins Nichts zu fallen ist dabei ebenfalls auf die Zeit gerichtet, auf ein in der Zukunft liegendes Noch-Nicht. Das Unvorhersehbare sorgt den Menschen, der nicht wie die Katze ganz im Augenblick aufgeht, die noch kurz vor ihrem Tod selig schnurrt.

Die Zeit, jene „Furie des Verschwindens“, wird mit zunehmender Lebensdauer als immer schnelllebiger empfunden. Kein Wunder: Time is running out! Was also ist nach diesem Räsonieren über die Zeit vom neuen Jahr zu erwarten? Hoffentlich Gutes! Erich Kästner hat es einmal so formuliert: „Wird's besser? Wird’s schlimmer? fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich!

Das ist von zeitloser Gültigkeit. Und dem ist nichts hinzuzufügen.

Samstag, 26. Dezember 2015