Freitag, 26. April 2013

Hoeneß und der Einheitsbrei


Hoeneß und der Einheitsbrei
Die wichtigsten Talk-Shows des Landes kannten die Woche nur ein Thema: Uli Hoeneß

Eigentlich sollte sich am vergangenen Sonntag in der Talkshow „Günther Jauch“ alles um das kriselnde Gesundheitssystem drehen. Die Tagesaktualität sorgte jedoch dafür, dass das Thema „Patientenfalle Krankenhaus – unnötige OPs für satte Gewinne?“ erst einmal auf den St. Nimmerleinstag verschoben wurde. Grund: Das Bekanntwerden der spektakulären Steueraffäre um Bayern-Präsident Uli Hoeneß.

Nach einer Selbstanzeige im Januar 2013 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Hoeneß wegen Steuerhinterziehung. Hintergrund der Affäre sind unversteuerte Spekulationsgewinne, die Hoeneß vor einigen Jahren ohne Kenntnis der Steuerbehörden eingestrichen hatte. Gegen den früheren Bayern-Manager wurde ein Haftbefehl erlassen der allerdings inzwischen außer Vollzug gesetzt wurde.

Hoeneß hatte nach Bekanntwerden der Steueraffäre erklärt, dass er sich vorerst nicht zu der Angelegenheit äußern wolle. Das ist als Beschuldigter sein gutes Recht und jeder Anwalt hätte ihm zu dieser Strategie geraten. Für die unzähligen Fernseh-Talkshows des Landes war dies jedoch noch lange kein Grund ohne Hoeneß über Hoeneß zu debattieren. Im Gegenteil: Jetzt erst recht! schien das Motto zu sein.

Den Anfang machte Günther Jauch, dessen gute Quoten Frank Plasberg dazu animierten, sein ursprüngliches Thema ebenfalls über den Haufen zu werfen und bereits einen Tag später unter dem Motto "Ausgerechnet Hoeneß - wem kann man jetzt noch trauen?" zu talken. Zu guter Letzt stieg gestern Maybrit Illner mit dem Titel „Hoeneß und sein Bankgeheimnis - Wer stoppt die Steuersünder?“ in den Ring.

Soviel Hoeneß war nie. Sowenig Erkenntnis aber auch nicht. Denn die in müden Ritualen erstarrten Talk-Formate haben kaum Neues zu Tage gefördert. Wie auch, wenn der einzige, der kompetent Auskunft geben könnte, beharrlich schweigt? Stattdessen wurden einmal mehr die üblichen Talkshow-Verdächtigen eingeladen, die man getrost auch zum Thema „Kochen mit Apfelessig“ hätte befragen können.

Das Grundrezept der Talksendungen ist stets dasselbe: Man nehme einen seriösen Journalisten (Hans Leyendecker, Roger Köppel), reiche dazu einen Sportreporter (Dieter Kürten, Manfred Breuckmann, Kathrin Müller-Hohenstein), würze das Ganze mit einem moralin-sauren Politiker (Künast, Bosbach, Trittin) und schmecke den so entstandenen Brei mit einem Comedian der Kategorie Oliver Pocher ab.

Fragt sich, warum die Steueraffäre Hoeneß binnen fünf Tagen durch alle wichtigen Politik-Talkshows des Landes geprügelt wurde. Gibt es keine wichtigeren Fragen mehr im Land? Oder geht es nur noch um Aufreger-Themen und gute Quoten? Das einfallslose Talk-Casting hätte derweil mühelos um so sinnlose Gäste wie Hans-Olaf Henkel, Nina Hagen, Jürgen Fliege oder Peter Neururer erweitert werden können.

Jauch, Plasberg, Illner: Der monothematische Einheitsbrei dieser Woche war durchweg ungenießbar und hat den Talkshow-Irrsinn endgültig auf die Spitze getrieben. Was übrig bleibt gleicht einem Fast-Food-Erlebnis: ein aufgeblähter Bauch nebst verdorbenem Magen und jeder Menge schlechter Laune ob der sinnlos vergeudeten Lebenszeit. Viel Lärm um Nichts also oder besser noch: „Mahlzeit“!

Freitag, 19. April 2013

The witch is Dead!


The witch is Dead!
Viele Briten gerieten über den Tod Margaret Thatchers aus dem Häuschen. Warum?

Die Briten sind anders. Das ist zunächst einmal keine wirklich neue Erkenntnis. Die Andersartigkeit vieler Briten vermag jedoch die teilweise bizarren Reaktionen zu erklären, die im Londoner Stadtteil Brixton anlässlich des Todes von Margaret Thatcher zu beobachten waren. Viele Briten gerieten über den Tod der früheren Premierministerin vergangene Woche geradezu aus dem Häuschen.

Neben Straßenparties und öffentlichen Freudenfesten wurde via Facebook dazu aufgerufen, den Song „Ding Dong! The witch is Dead!“ aus dem Märchenfilm „Der Zauberer von Oz“ runterzuladen. Das Ergebnis: Der Titel führt seit Tagen die Liste der britischen Download-Charts an. Die als „Hexe“ geschmähte „Eiserne Lady“ polarisiert die Briten offenbar noch weit über ihren Tod hinaus.

Zwar gab es die nach dem Ableben eines Prominenten zahlreichen, üblichen Beileidsbekundigungen; das Ausmaß der unverhohlenen Freude über den Tod Thatschers überrascht indes. So rief der linke Filmemacher Ken Loach im „Guardian“ dazu auf, die Beerdigung Thatchers zu privatisieren und die Ausrichtung auszuschreiben. Der billigste Anbieter bekäme auf diese Weise den Zuschlag.

Was bitteschön war da los? Wie ist dieser vielfach zelebrierte Hass zu erklären? Weshalb lassen viele Briten angesichts des Todes einer Politikerin nicht mehr Pietät walten? In Deutschland wären solche Reaktionen ganz und gar undenkbar; bei uns gilt vielmehr der Satz: „De mortuis nil nisi bene“, was frei übersetzt in etwa bedeutet, dass man über einen Toten nicht schlecht sprechen sollte.

Das Problem ist offenbar vielschichtiger als es auf den ersten Blick erscheint. Der Hass vieler Briten auf Margaret Thatcher sitzt tief, denn sie hat das Land massiv gespalten. In ihrer Regierungszeit (1979-1990) wurden tiefe Einschnitte ins Sozialsystem gemacht und rigide Ausgabenkürzungen durchgesetzt; die Steuern für die Reichen wurden gesenkt, die Finanzmärkte liberalisiert.

Mit dem „Thatcherismus“ ist aber vor allem das marktliberale Dogma „Weniger Staat - mehr Markt“ verknüpft, das eine ganze Epoche prägen sollte. Fortan wurde auf der Insel alles versilbert, was zuvor - aus gutem Grund - in staatlicher Hand war: Post, Eisenbahn, Fluggesellschaften und das Gesundheitssystem wurden mit zum Teil katastrophalen Folgen privatisiert. Fast alle Zechen des Landes wurden geschlossen.

England ist heute ein weitgehend deindustrialisiertes Land, das kaum noch Güter produziert. Lediglich der Finanzsektor spielt international noch eine bedeutende Rolle - eine verheerende Bilanz für das Mutterland der Industrialisierung. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist durch Thatchers kalte, neoliberale Politik enorm gewachsen. Die Briten haben also allen Grund zornig zu sein auf Margaret Thatcher.

Bei alledem darf jedoch der britische Humor nicht außer Acht gelassen werden. Der ebenso respektlose wie schwarze Humor der Briten lebt geradezu von der brutalen Verletzung gesellschaftlicher Tabus. Die „The witch is Dead“-Kampagne ist letztlich eine Spielart dieses anarchischen Humors, die auch vor absurden Geschmacklosigkeiten nicht zurückschreckt. „The witch is Dead“ - Englands Humor aber lebt!

Freitag, 12. April 2013

Lecker, lecker, lecker…!


Lecker, lecker, lecker…!
Die schlimmste Heimsuchung seit Pest und Cholera: Radiowerbung

Kennen Sie das? Sie sind gut drauf, starten beschwingt und ausgelassen in den Tag, denken an nichts Böses und dann das! Kaum haben sie das Radio eingeschaltet, sehen sie sich einem akustischen Bombenhagel ausgesetzt, der ihre Laune in Sekundenschnelle fragmentiert. Dabei entwickeln sie Hassgefühle, die ihnen als friedliebendem Menschen eigentlich ganz und gar fremd sind.

Kaum ein Alltagsphänomen ist Nerv tötender und lästiger als Rundfunkwerbung. Dabei ist es fast egal, welchen Sender man hört, denn zwischen den schmalen Programminseln mit dem „Besten der 70er, 80er und 90er Jahre“ dröhnt einem im „Formatradio“ ein Schwall dämlicher Jingles, hirnrissiger Slogans und grenzdebiler Reime entgegen, der einen im Nu zum Kochen bringt.

Besonders auf den Wecker fallen in jüngster Zeit die Spots von Discountern und Baumärkten; deren permanente Wiederholungsschleifen in einem aggressiv-marktschreierischen Ton führen nicht selten dazu, dass man das Radio am liebsten mit einem Vorschlaghammer zertrümmern möchte. Wie war das doch gleich? „20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung!“

Auch der „Bratmaxe“-Song rangiert in der nach oben offenen Nerv-Skala ganz vorn. Wenn sich das bratwurstvertilgende, blonde Terror-Kind beim Singen in die höchsten Tonlagen verirrt, biegen sich einem die Fußnägel hoch. Wie gut, dass die Grillsaison bald anfängt und der „Bratmaxe“-Spot wieder regelmäßig zu hören sein wird. Mit solch dämlichen Spots kann man doch unmöglich ein Produkt bewerben. Oder etwa doch?

Ist die Antiwerbung etwa Werbestrategie? Getreu dem Motto: Egal wie nervig die Werbung auch ist - sie erhöht den Bekanntheitsgrad in jedem Fall! Die Firma Carglass scheint nach diesem Prinzip zu verfahren: „Carglass repariert - Carglass tauscht aus“. Was in den 90er Jahren der Lochfraß in Waschmaschinen war sind heute die Mikrorisse in Autoscheiben: das offenbar drängendste Problem unserer Zeit.

Carglass-Spots gleichen durch ihre Überlänge nicht selten einem Hörspiel und machen das Radiohören zur schieren Folter. Danach umschleicht einen das ungute Gefühl, dass permanent und überall Autoscheiben durch böswilligen Steinschlag in Stücke gerissen werden. Schrill, aufdringlich, unentrinnbar: Radiowerbung ist die definitiv schlimmste Heimsuchung seit Pest und Cholera!

Den Titel des nervigsten Radiospots hat sich seit Jahren die Firma Seitenbacher gesichert. Der Müslihersteller quält die Radiohörer mit schwäbelnden Sätzen wie: Woischd Karle, du sollschd emol e Seitenbacher Müsli esse. (…) Na hädschd auch net immer die Probleme mit deiner Verdauung.“ Der beratungsresistente Inhaber, ein gewisser Willi Pfannenschwarz, spricht und produziert die Spots höchst selbst.

Der Peinigung des Hörers durch Radio-Werbung sind keinerlei Grenzen gesetzt. Fragt sich, warum dem GEZ-zahlenden Radiohörer zumindest im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dieser Irrsinn nicht erspart bleibt. Radio ist ein rein akustisches Medium. Um-, ab-, oder leise schalten nützt da wenig: ohne Ton macht Radio keinen Sinn. Also wird man den Schwachsinn bis auf weiteres wohl ertragen müssen.

Wer hören will, muss leiden. In diesem Sinne: „Lecker, lecker, lecker“!

Und weil’s so schön war, hier die schönsten Spots zum Nachhören:





Freitag, 5. April 2013

Für ein paar Dollar mehr


Für ein paar Dollar mehr
Die Diäten für die Abgeordneten des Bundestages sollen erneut steigen

Bundestagspräsident Norbert Lammert sprach sich am Dienstag dieser Woche in einem Videointerview mit der Leipziger Volkszeitung dafür aus, die Abgeordnetenbezüge noch vor der nächsten Bundestagswahl neu zu regeln, sprich: zu erhöhen. Lammert machte jedoch deutlich, dass er eine rasche Regelung für unwahrscheinlich hält.

Eine Kommission unter Vorsitz des früheren Bundesjustizministers Edzard Schmidt-Jortzig hatte vorgeschlagen, die Abgeordnetenbezüge künftig stärker an der Besoldung von Bundesrichtern zu orientieren. Dies entspräche einer Erhöhung der Diäten um mehrere Hundert Euro im Monat.

Lammert nannte die Empfehlung „bemerkenswert“; er fände es „schön“, wenn eine Umsetzung noch vor der Wahl erfolgen würde, um den Vorwurf der Selbstbedienung zu entkräften. Kaum eine andere Berufsgruppe besitzt derzeit die rechtliche Handhabe, über Zeitpunkt und Höhe einer Gehaltssteigerung selbst zu befinden.

Die Abgeordnetenbezüge stiegen von 2012 bis 2013 binnen Jahresfrist um knapp 600 Euro; manch Rente fällt kleiner aus, als die letzten Diäten-Erhöhungen zusammengenommen. Waren Abgeordnete früher von Haus aus gut situiert und lebten für die Politik, leben sie heute zumeist von der Politik - und das nicht schlecht.

Sicher, Abgeordnete benötigen zur Ausübung ihres Mandats ein Gehalt, was sie unabhängig und unbestechlich macht; die gegenwärtig 8252 Euro im Monat reichen dafür aber völlig aus. Warum die künftigen Diäten ausgerechnet an der Höhe der Gehälter für Bundesrichter angelehnt sein sollen, ist überdies nicht einsichtig.

Neben den Diäten erhalten die Abgeordneten des Bundestages eine steuerfreie, monatliche Kostenpauschale in Höhe von 4029 Euro. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, ihr Gehalt durch lukrative Nebentätigkeiten aufzubessern; rund ein Drittel der Mandatsträger macht davon zum Teil regen Gebrauch - siehe Steinbrück.

Zeitpunkt und Höhe der neuerlichen „Anpassung“ erscheinen in Zeiten von Banken-Krise, Nullrunden, Schuldenbremse und knapper Kassen als äußerst unglücklich. Insbesondere abhängig beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Nettolohn-Zuwachs von 2-3 Prozent im Jahr bringen für die Steigerung der Diäten keinerlei Verständnis auf.

Dass das Wort „Diäten“ mit Diät und Maßhalten nicht viel gemein hat, ist allgemein bekannt. Dies gilt insbesondere für die Altersbezüge von Politikern: Bereits nach acht Jahren im Bundestag erhält ein Abgeordneter ab dem 60. Lebensjahr die monatliche Mindestpension von 1682 Euro - ein Betrag, den ein Normalverdiener selbst nach 45 Versicherungsjahren nicht erreicht.

Dass durch die neuerliche Diskussion die Politikverdrossenheit weiter steigt, gilt als ausgemacht. Vor der Bundestagswahl im Herbst wird mit einer Diätenerhöhung indes nicht zu rechnen sein, da die Parteien den Furor des Wählers fürchten. Die nächste Ausgabe der Endlos-Soap „Für ein paar Dollar mehr“ ist aber schon in der Mache.

In Sachen Diätenerhöhung gilt daher: Fortsetzung folgt - nach der Wahl.