Freitag, 26. Oktober 2012

Der Schweigefuchs im Metal-Land


Der Schweigefuchs im Metal-Land
Heimliche Zwillinge, seit der Geburt getrennt: Schweigefuchs und Teufelsgruß

Oktober in Deutschland: Allüberall läuft der Schulbetrieb auf Hochtouren. Und schon bald nach Schulbeginn wird der Schweigefuchs aus seinem herbstlichen Tiefschlaf gelockt. Schweigewas? Schweigefuchs! So heißt der ebenso unentbehrliche wie pfiffige Helfer so manch überforderter Grundschullehrerin, nennen wir sie der Einfachheit halber Wiebke P. 

Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Die Klasse ist mal wieder unruhig und rumort, alles tobt, krakeelt wild durcheinander und hört unserer bedauernswerten Wiebke einfach nicht mehr zu. Nun muss der Schweigefuchs ran! Schweigefuchs (Vulpes silentium) ist ein entfernter Verwandter des sich auch in unseren Breiten tummelnden, gewöhnlichen Fuchses (Vulpes vulpes) sowie seiner eher materiell geprägten Ahnen, dem Schwäbisch-Hall-Fuchs (Vulpes commercialis) und dem Spee-Fuchs (Vulpes henkel), die beide in der Werbung Karriere gemacht haben. 

Der schlaue Schweigefuchs unterstützt unsere hilflose Wiebke nach Kräften, wieder Ruhe in den Karton zu bringen! Und das geht so: Die Lehrerin hebt eine Hand, führt die Fingerspitzen von Daumen, Mittel- und Ringfinger zusammen und reckt dabei den Zeige- und den kleinen Finger empor. Die drei zusammengeführten Finger stellen einen geschlossenen Mund dar, die gestreckten Finger markieren die gespitzten Ohren der Schüler. Das funktioniert immer. Zumindest in der Theorie. So auch in unserem Fall: Dank Schweigefuchs lauschen die lieben Kleinen nun wieder andächtig den Ausführungen ihrer engagierten Pädagogin.



The Good: der Schweigefuchs

Dass der Schweigefuchs aber einen heimlichen Zwilling hat, von dem er seit seiner Geburt getrennt lebt, ist den wenigsten bekannt. Es handelt sich dabei um einen ziemlich finsteren Gesellen: Mano cornuta, die gehörnte Hand, unter Heavy-Metal-Fans auch als Teufelsgruß, Metal-Sign oder einfach Pommesgabel bekannt (Vulpes satanis bzw. Vulpes pombu). Pommesgabel unterscheidet sich rein äußerlich nur in Nuancen von seinem großen Bruder, dem Schweigefuchs. Auch hier werden Zeigefinger und kleiner Finger von der Faust abgespreizt, der Daumen legt sich aber behände auf die gebeugten Mittel- und Ringfinger.
                                                    
Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Figuren ist frappierend, in ihrer Bedeutung unterscheiden sie sich jedoch fundamental. Ringt der Schweigefuchs für das Gute im Menschen, kämpft für andächtige Stille und Schweigen im Klassenzimmer und mithin für ein Recht auf Bildung, verkehrt sein Zwillingsbruder als eine Art gefallener Engel mit einer leicht abgewandelten Geste dieses edle Ansinnen in sein paradoxes Gegenteil. Teufelsgruß oder Pommesgabel stehen nämlich für lautstarke und stampfende Metal-Musik, für Drogenkonsum und Exzess, Teufelsanbetung, okkulte Riten und hemmungslosen Sex. Kurzum: Für Rock ’n’ Roll der übelsten Sorte!

... and The Bad: der Teufelsgruß

Wiebke P. liebt Heavy Metal, stille Wasser sind bekanntlich tief. Bei Konzerten ihrer Lieblingsband streift sie dem Schweigefuchs regelmäßig die lederne Metal-Kutte über und reckt sodann die obskure Pommesgabel gen Himmel. Das hat dann fast den Charakter einer Familienzusammenführung: Der Schweigefuchs im Metal-Land. 

Freitag, 19. Oktober 2012

Stadt der Vollidioten


Stadt der Vollidioten
Seit einem Jahr geben sich Städte in NRW peinliche Beinamen. Eine Bilanz

An allem ist Hagen Schuld. Einst als "Tor zum Sauerland" bekannt, verpasste sich die Stadt bereits 2010 einen klingenden Beinamen, der einem zwar nicht flott über die Lippen geht, doch dafür umso fixer auf alle Ortsschilder der Stadt geklebt wurde: "Stadt der FernUniversität." Humorige Bürger überklebten daraufhin zahlreiche Schilder mit dem Zusatz "Stadt der Vollidioten". Die Stadt reagierte weniger humorvoll und erstattete Anzeige, musste allerdings auch den Beinamen „FernUni“ wieder von den Schildern nehmen, da es dafür keine Rechtsgrundlage gab.

Seitdem die Gemeindeordnung vor einem Jahr geändert wurde, dürfen sich Städte und Gemeinden im Bindestrich-Bundesland NRW nun ganz offiziell mit allerlei phantasievollen Namenszusätzen schmücken. Dadurch sollen die Kommunen nicht nur unverwechselbarer und selbstbewusster werden, sondern auch in ihrer regionalen Identität gestärkt werden. Soweit die amtliche Theorie. In der Praxis wurden daraus allerdings teilweise dämliche Namenszusätze, die einen zuweilen an Schild-Bürgerstreiche erinnern. 

Insgesamt 22 Städte und Gemeinden in NRW dürfen derzeit mit dem Segen des Landesinnenministeriums Beinamen führen. Den Anfang machten Anwärter auf den wohl begehrtesten Namenszusatz im Land, die Hansestädte, in deren erlauchten Kreis sich nunmehr auch die Städtchen Warburg und Wipperfürth, eine Kleinstadt bei Köln, einreihen dürfen. "Hansestadt Wipperfürth" - da schlägt das Herz doch gleich ein wenig schneller, wenn man sich fortan auf Augenhöhe mit Hansestädten wie Hamburg, Bremen oder Lübeck wähnt.

Doch es kommt noch besser. Solingen, weltberühmt für seine Klingen und Messer, nennt sich tatsächlich "Klingenstadt"; die Stadt Kerpen führt aufgrund ihres berühmten Sohnes und Begründers des Kolpingwerkes, Adolph Kolping, den launigen Beinamen "Kolpingstadt". Den Vogel abgeschossen hat jedoch die selbsternannte "NRW-Klimakommune" Saerbeck im Münsterland, die sie sich "auf dem Weg hin zu einer klimaneutralen Kommune" befindet. Auweia. 

Dass früher auch nicht alles besser war, belegt ein Blick in die Geschichtsbücher. So durften deutsche Städte zwischen 1933 und 1945 Ehrentitel als Beinamen führen: Aus Goslar wurde die "Reichsbauernstadt" und Leipzig avancierte zur "Reichsmessestadt". Nürnberg war die "Stadt der Reichsparteitage", München mutierte zur "Hauptstadt der Bewegung" und Essen war, dank Krupp, die "Waffenschmiede des Reiches". Eine Anregung für die Gegenwart? Wohl kaum. 

Wollte man den kommunalen Wahn, pfiffige Beinamen zu Marketingzwecken zu ersinnen, auf die Spitze treiben, so böten sich auch bundesweit allerlei fiese Zusätze an. Aus Solingen würde geschwind die "Stadt der fliegenden Messer" und aus Kerpen die "Michael-Schumacher-Stadt". Aus der "Händelstadt" Halle könnte die "Plattenbaustadt Halle an der Saale" erstehen und aus Baden-Baden schließlich, der Millionärsstadt mit der landesweit höchsten Selbstmord-Rate, würde umgehend "Suicide-City".

So manch namensverlängernde Maßnahme führt also nicht unbedingt zu einem höheren Wiedererkennungswert oder einem flotten Alleinstellungsmerkmal, sondern vielmehr zu Hohn und Spott. Die Städte und Gemeinden wären gut beraten, sich keine peinlichen Beinamen mehr zuzulegen. Denn sonst ergeht es ihnen möglicherweise wie dem eingangs erwähnten Hagen, welches mit einer Facebook-Seite unter dem Titel "Stadt der Vollidioten" gelistet ist. 450 Facebook-Mitgliedern gefällt das. Wen wundert's? 

Freitag, 12. Oktober 2012

Bitte recht freundlich!


Bitte recht freundlich! 
Das Emoticon wird 30. Höchste Zeit, die Rathaustreppe zu fegen :-)

Der amerikanische Physiker Scott Fahlman aus Pittsburgh war der Erste, der 1982 in einer elektronischen Nachricht vorschlug, eine bestimmte Zeichenkombination zur Kennzeichnung von Scherzen und Komik zu verwenden. Das lächelnde Smiley wurde zwar rund zwanzig Jahre früher zu Werbezwecken in den USA erfunden; trotzdem gilt der Herbst 1982 als Geburtsstunde der Emoticons oder Smileys in elektronischen Nachrichten.

Fahlman schlug vor, die aus einer Kombination bestimmter Satzzeichen gebildeten Piktogramme seitlich zu lesen und sie für Freude, Ärger oder auch Spott zu verwenden. Die etwas sperrige Wortkreuzung „Emoticon“, die aus den Begriffen „Emotion“ und „Icon“ zusammengesetzt ist, stellt also ein aus Satzzeichen gebildetes Helferlein dar, mit dem man Gefühle und Stimmungen durch eine einfache Zeichenfolge in E-mails und Chat sowie in Blogbeiträgen  ausdrücken kann.

Da man in der elektronischen Kommunikation das Gegenüber in aller Regel nicht vor sich sitzen hat und Gestik, Mimik und Stimme als signalgebende Informationen ausfallen, lassen sich mittels weniger Satzzeichen Gefühlsregungen, Übertreibungen aber auch Satire zumeist treffend darstellen. Man stelle sich vor, wie viele Worte vonnöten wären, um einfachste Emotionen wie Ärger oder Ironie, die im Chat durch ein Augenzwinkern dargestellt wird, mit Worten zu umschreiben. 

Insoweit sind Emoticons von einigem Nutzen und erfreuen sich bei Jung und Alt großer Beliebtheit; sie sind fester Bestandteil der Netz-Kultur und aus der schriftlichen Kommunikation im Internet nicht mehr wegzudenken. Doch wie mit allen Dingen im Leben macht auch hier die Dosis das Gift. Das Smiley-Arsenal ist inzwischen uferlos: Es gibt mittlerweile Tausende grenzdebil grinsender Emoticons, die sich mithilfe einfacher Apps in grafisch animierte, winkend-feixende kleine Terror-Biester verwandeln. 

Die Standard-Emoticons der früher Achtziger Jahre jedenfalls haben ihren Charme nicht nur durch eine schrill-nervige Animation verloren, sondern vor allem durch ihren inflationären Einsatz in Mails und Chat. Die kleinen Monster haben sich nämlich zu einer echten Landplage entwickelt, wenn nach nahezu jedem Satz ein knallgelbes, sonnenbebrilltes Smiley pingpongmäßig auf und ab hüpft und dabei frech die Zunge zeigt. Scott Fahlman hat inzwischen den übertriebenen Einsatz von Emoticons in E-Mails kritisiert; gleichwohl war er es, der den Geist einst aus der Flasche gelassen hat.   

In Norddeutschland gibt es den traditionellen Brauch, der ledige Männer, die ihren dreißigsten Geburtstag vollendet haben, zum Fegen der Rathaustreppe animiert. Jungfrauen sind dazu aufgerufen, den Fegenden von seinem Ledigen-Unglück freiküssend zu erlösen. Höchste Zeit ein Smiley zu ersinnen, welches zum 30. Geburtstag aus Strafe für all die Nervtöterei die Rathaustreppe fegen muss! Ein entsprechendes Emoticon könnte vielleicht so aussehen:      (:-)--#.   Allerdings: Wer sagt mir eigentlich, dass das nebenstehende Emoticon unverheiratet bzw. männlich ist? ;-) 

Freitag, 5. Oktober 2012

Zurzeit kein Zoff beim Liga-Dino


Zurzeit kein Zoff beim Liga-Dino
Zum HSV-Jubiläum herrscht an der Elbe eitel Sonnenschein. Wie lange noch?

Als der Hamburger Sport Verein (HSV) am vergangenen Samstag seinen 125. Geburtstag mit einer großen Gala feierte, herrschte allerorten eitel Sonnenschein. Der Club hat den sportlichen Fehlstart mit drei Niederlagen in Folge rechtzeitig zum Jubiläum vergessen machen können: Nach der spektakulären Verpflichtung des Niederländers Rafael van der Vaart und zwei Siegen gegen Dortmund und Hannover, scheint der Absturz in den Tabellenkeller der Liga vorerst abgewendet. 

Dabei fing die neue Saison beim HSV genauso desaströs an, wie die alte aufgehört hatte, ein sportlicher Fortschritt war nicht zu erkennen. Nachdem in der vergangenen Saison der Abstieg des Traditionsclubs mit Ach und Krach verhindert werden konnte, schien die aktuelle Spielzeit diesen Weg fortzusetzen, der doch für viele HSV-Anhänger aus der ganzen Republik undenkbar erscheint: der direkte Absturz in Liga Zwei. Herzlich Willkommen in Regensburg, Aue, oder, noch schlimmer Sandhausen! 

Dabei ist der HSV der einzige Verein der Bundesliga, der dem Oberhaus der deutschen Fußballelite ununterbrochen angehört - seit der Saison 1963/64. In der Ewigen Tabelle der Liga steht der Club sogar auf dem dritten Tabellenplatz. Sechs Meisterschaften, drei Pokalsiege, der Gewinn im Europapokal der Pokalsieger 1977 und schließlich der Triumph in der Champions League gegen Juventus Turin 1983 sind Meilensteine der HSV-Historie, die u.a. von Legenden wie Uwe Seeler und Charly Dörfel geschrieben wurde. 

Meine persönliche Fußball-Sozialisation und Begeisterung für den HSV begann Ende der Siebziger Jahre als Spieler wie Kevin Keegan, Felix Magath, Manfred Kaltz und natürlich Horst Hrubesch, das blonde Kopfballungeheuer, eine ganze Ära prägten und insgesamt drei Meisterschaften einfuhren. Unvergessen ist Kaltz‘ legendäre „Bananenflanke“ direkt auf den Schädel von Hrubesch, der diesen äußerst erfolgreich wiederholten Spielzug lakonisch mit den Worten kommentierte: „Manni Bananenflanke, ich Kopf - Tor!“

In den vergangenen Jahren war der HSV allerdings nicht mehr sonderlich erfolgreich, der letzte Titelgewinn datiert aus dem Jahr 1987. Als treuer Anhänger der Raute musste ich mir in der Diaspora des Ruhrgebiets natürlich oft Hohn und Spott gefallen lassen, nicht selten verbunden mit dem Hinweis, warum ich nicht Fan des FC St. Pauli sei. Denn Pauli würde doch - rein lebensweltlich betrachtet und vom soziokulturellen Milieu - viel besser zu mir passen als der noble Elite-Club von der Elbe mit all seinen versnobten Pfeffersäcken, Wichtigtuern und Bonzen.

Ach je, was soll man denn darauf antworten? Vielleicht folgendes: Einen Verein sucht man sich nicht einfach so aus wie einen Gebrauchtwagen, der Verein sucht dich aus. Man wählt seinen Club nicht nach hippen Coolness - Kriterien und favorisiert dann den gerade angesagtesten oder erfolgreichsten Verein. Oder etwa doch? Im Fußball geht es zuweilen wie im richtigen Leben zu - wie in der Liebe - es trifft einen ganz unverhofft und macht plötzlich „peng“. Allerdings ist der Honeymoon der frühen Jahre nicht selten schnell verflogen und Alltagsfrust und Gewöhnung halten Einzug. 

So auch beim HSV: Anspruch und Wirklichkeit klaffen wie bei kaum einem anderen Bundesligisten weit auseinander. Der Verein sieht sich selbst in einer Liga mit dem FC Bayern München und träumt nur allzu gern vom europäischen Wettbewerb; gegenwärtig ist der HSV allerdings kein sonderlich souverän geführter Club. Häufige Trainer-Wechsel, hohe Schulden und ein sportliches Konzept, welches sich erst noch beweisen muss, sind die größten Baustellen. Pünktlich zum Jubiläum herrscht beim Dino der Liga zur Abwechslung zwar kein Zoff. Fragt sich nur, wie lange.