Donnerstag, 21. Februar 2013

Schlag den Raab


Schlag den Raab
Stefan Raab soll das TV-Duell Merkel vs. Steinbrück moderieren. Warum auch nicht?

Männer im Ruhestand haben für gewöhnlich Zeit. Und wer Zeit hat, kommt zuweilen auf absonderliche Ideen. Wie zuletzt der Pensionär und frühere Ministerpräsident von Bayern, Edmund Stoiber, als er den Pro Sieben-Entertainer Stefan Raab im Spiegel als Moderator eines TV-Duells zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Herausforderer Peer Steinbrück vorschlug.

Stoibers Vorstoß hatte zuletzt hohe Wellen geschlagen. Man konnte dabei den Eindruck gewinnen, Raab sei nicht als Mit-Moderator, sondern als Kandidat neben Merkel und Steinbrück im Gespräch. Raab als Moderator eines Fernseh-Duells, was spricht eigentlich dagegen? Der Untergang des Abendlandes wird kaum zu befürchten sein, zumal Raab zweifellos Verdienste auf dem Gebiet der TV-Unterhaltung hat.

Der Grimme-Preisträger traf mit Sendungen wie „Schlag den Raab“, „TV Total“ und den Show-Ablegern „Wok-WM“, „Turmspringen“, „Prunksitzung“ und einer entstaubten Version des deutschen Vorentscheids zum Eurovision Song Contest zumeist den Geschmack eines überwiegend jungen Publikums. Zuletzt moderierte er auf Pro Sieben - allerdings nur mäßig erfolgreich - den Polit-Talk „Absolute Mehrheit“.

Nun also das TV-Duell, was bei vielen Beobachtern zur Frage führte, ob sich denn ein Entertainer wie Raab überhaupt für das ernste Politik-Geschäft eigne. Was bei Lichte besehen ein ziemlich alberner Einwand ist, denn auch Frank Plasberg hat in der Vergangenheit Unterhaltungssendungen moderiert. Raab wäre zudem nur einer von vier Moderatoren, seine Rolle wäre also vergleichsweise schmal bemessen.

Zur Erinnerung: Das letzte TV-Duell 2009 zwischen Merkel und Frank-Walter Steinmeier geriet dermaßen dröge und uninteressant, dass man einer Neuauflage im Wahljahr nicht gerade entgegenfiebert. Der damalige Moderator der Sendergruppe ProSiebenSat.1, ein gewisser Peter Limbourg, agierte zwar seriös und kompetent, ist aber auch nicht gerade als journalistisches Schwergewicht der Branche verschrien.

Die Verpflichtung von Stefan Raab als Mit-Moderator könnte nun tatsächlich dazu beitragen, dass ein jüngeres Publikum erreicht wird, das sonst eher einen Bogen um das Thema Politik macht. Der ehrgeizige Raab würde seine Sache auch bestimmt ordentlich machen und sich entsprechend vorbereiten, um neben den Illners, Plasbergs und Klöppels zu bestehen.

Ob Stoibers Vorschlag zu einem spannenderen TV-Duell führt mag allerdings bezweifelt werden, denn das starre Korsett dieses Formats gewährt den Moderatoren kaum die auch bei Steinbrück so beliebte „Beinfreiheit“ für eine eigene Performance. Das ritualisierte TV-Duell mit seinem Zwang zur Ausgewogenheit hat ja nicht nur zu einem multiplen Moderatorenquartett aus vier Sendeanstalten geführt.

Es hat auch zur Herrschaft der Stoppuhren beigetragen, die auf die Sekunde genau festhalten, wer wie lange geredet hat und noch über etwaige Restzeit verfügt. Loriot hat dieses kauzige Ritual in einem Sketch einmal treffend ad absurdum geführt: „Herr Müller-Meisenbach, Sie haben jetzt noch eine Drittelsekunde für ‚Frieden und Freiheit‘…bitte!“ Müller-Meisenbach: „Ffff…“.

Nicht nur für Merkel und Steinbrück, auch für das arrivierte Moderatorenteam dürfte es demnächst dann wohl heißen: „Schlag den Raab!“

Samstag, 16. Februar 2013

Europa und das liebe Vieh


Europa und das liebe Vieh
Der jüngst verabschiedete EU-Haushalt ist vor allem eins: ein Agrarhaushalt

Knapp eine Billion Euro. Soviel Geld sieht der Finanzrahmen der Europäischen Union vor, um das gemeinsame Budget für den Zeitraum 2014 bis 2020 zu bestreiten. Der EU-Haushalt wurde letzte Woche nach einem mehrstündigen Verhandlungsmarathon der Staats- und Regierungschefs in Brüssel verabschiedet.

Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang aber weder die Höhe des EU-Budgets, um das bis zuletzt gerungen wurde, noch die Tatsache, dass man sich überhaupt irgendwann geeinigt hatte. Erstaunlich ist vor allem, dass die Landwirtschaft einmal mehr den mit Abstand größten Einzelposten im Haushalt der EU markiert.

Denn trotz Einsparungen und Deckelungen in vielen anderen Ressorts kommt der Bereich der Landwirtschaft weitgehend ungeschoren davon. Der Agrarbereich macht zwar nur zwei Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung aus, er nimmt aber fast 40 Prozent des EU-Haushaltes in Anspruch - ein geradezu groteskes Missverhältnis.

Die Agrarsubventionen, die allein für das Jahr 2013 rund 58 Milliarden Euro betragen, sind zwar immer wieder Gegenstand von Diskussion und Kritik. Grundsätzlich wurden diese Hilfen aber auch diesmal nicht in Frage gestellt. Zu einer grundlegenden Strukturreform fehlten erneut Wille und politischer Mut.

Dabei wirken die EU-Subventionen für die Landwirtschaft wie aus der Zeit gefallen, sie sind das Relikt einer längst untergegangenen Epoche. Die Beharrungskräfte des alten Systems sind allerdings groß, denn kaum ein Berufsstand ist besser organisiert als die Bauernschaft. Vor allem in Frankreich und Deutschland geht gegen die mächtige Agrarlobby nichts.

Das Höfesterben konnte aber auch durch die Subventionspolitik nicht aufgehalten werden. Ein deutscher Hof erhält im Jahr derzeit rund 319 Euro pro Hektar ohne jede Auflage; insbesondere kleinere Betriebe ringen um ihre Existenz. Viele Bauern müssten ihre Höfe ohne die Zahlung von Subventionen wohl aufgeben.

Dass aber Agrarfabriken und Lebensmittelkonzerne in der Vergangenheit den Löwenanteil der EU-Fördermittel erhielten ist indes kaum nachzuvollziehen. Große Agrarbetriebe, die nicht gerade für umweltgerechte Erzeugnisse bekannt sind, profitieren von einer Förderpraxis, welche die intensive, industrialisierte Landwirtschaft begünstigt.

Die heutigen Direktzahlungen an bäuerliche Betriebe sollten daher an geringere Betriebsgrößen, Bedürftigkeit, Umweltauflagen und Tierschutzstandards gekoppelt werden. Auf diese Weise kämen Agrarfabriken, Großbauern und die Lebensmittelindustrie nicht länger in den Genuss steuerfinanzierter Subventionen.

Die dafür freigeräumten Mittel könnten den chronisch unterfinanzierten Bereichen Bildung und Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden, die gegenwärtig nicht einmal ein Viertel der Gelder des Agrarhaushalts erhalten. Und das, obwohl gerade Bildungsausgaben sinnvolle Investitionen in die Zukunft eines Landes darstellen.

„Kinder statt Kühe“ sollte daher der Wahlspruch des modernen Europa sein!

Freitag, 8. Februar 2013

Caramba, Caracho, Reloaded!


Caramba, Caracho, Reloaded!
Heino covert deutsche Rocksongs. Kann das gutgehen?

Mit seinem neuen Album „Mit freundlichen Grüßen“ ist Heino offenbar ein Überraschungserfolg gelungen. Der blonde Barde aus dem Rheinland covert darauf zwölf deutsche Rock- und Popsongs u.a. von Rammstein, den Ärzten, den Fantastischen Vier und Peter Fox. „Enzian“ und „Haselnuss“ haben vorerst Pause.

Doch damit nicht genug. Seit einigen Tagen führt Heino mit seinem Cover-Album auch noch die Download-Trend-Charts von Media Control an. Heinos Management hatte die Platte zuvor als „Skandalalbum des Jahres“ angekündigt. Die „Bild“-Zeitung berichtete zudem von einem Streit zwischen Heino, Rammstein und den Ärzten.

Dieser erwies sich jedoch als Erfindung von „Bild“, denn weder Rammstein noch Die Ärzte hatten sich über Heinos Cover-Songs beschwert. Rechtlich hätten sie gegen das Album ohnehin keine Handhabe; denn solange Melodie und Text der Original-Titel nicht verändert werden, müssen sie den Interpreten, Heino, gewähren lassen.

Ausgerechnet Heino. Der wohl am meisten parodierte deutsche Sänger arbeitet sich an den Aushängeschildern der deutschen Rock- und Popmusik ab. Heino - Markenzeichen: blonde Haare, Sonnenbrille und Bass-Bariton mit rollendem „R“ - dürfte allerdings bei den wenigsten der gecoverten Künstler auf große Gegenliebe stoßen.

Steht er doch für das miefig-piefige, längst vergangene Deutschland: für Plüschsofa und Kameradschaftsabend, Marschmusik und röhrenden Hirsch. Heino war sich in den 80er Jahren auch nicht zu schade dafür, um im Apartheidsstaat Südafrika aufzutreten und bei anderer Gelegenheit die deutsche Nationalhymne einzusingen - alle drei Strophen versteht sich.

Heino, der sich seit über fünfzig Jahren in seichten Volkslied- und Schlagergefilden tummelt, hat sich im zarten Alter von 74 Jahren noch einmal ganz neu erfunden. Der neue, wahre Heino hat Trachtenjanker, Seppelhut und Lodenkotze kurzerhand gegen Lederjacke, Jeanshose und Cowboy-Stiefel eingetauscht. Heino Reloaded.

Zugegeben, Heinos Version des Ärzte-Songs „Junge“ gefällt; denn er ist fein instrumentiert. Insbesondere die Bläser und der Backgroundchor sprechen für ein pfiffiges Arrangement. Zudem gewinnt der Song durch Heinos großväterliches Bass-Timbre eine ganz neue Tiefe - ohne dabei der Ironie des Originals zu entbehren.

Aber ein ganzes Album Heino bleibt immer noch ein ganzes Album Heino - und das geht einfach gar nicht. Allerdings: „Ganz Deutschland hört jetzt Heino“ belehrte uns "Bild.de" vor Kurzem und schwadronierte weiter: „Heino hören ist jetzt definitiv cool“. Der einstige Unterstützer von CDU/CSU ist demnach mehrheitsfähig und angesagt.

Zumindest wenn es nach „Bild“ geht, die neben „BamS“ und „Glotze“ seit Schröders Zeiten das Maß aller medialen Dinge ist. Das Album in der weinseligen Karnevalszeit zu veröffentlichen ist überdies ziemlich clever, und die junge Zielgruppe scheint Heino tatsächlich zu mögen. Na dann, hoch die Tassen: „Caramba, Caracho, ein Whisky!“

Freitag, 1. Februar 2013

Zeitalter der Beschleunigung


Zeitalter der Beschleunigung
Das moderne Leben wird immer hektischer und schneller. Stimmt das?

In seinem kürzlich erschienenen Buch „Die Zeit gehört uns. Widerstand gegen das Regime der Beschleunigung“ greift der katholische Sozialethiker Friedhelm Hengsbach eines der wohl drängendsten Probleme im persönlichen Leben vieler Zeitgenossen auf: das Gefühl, sich in einem immer schneller drehenden Rad aus Stress, Termindruck, Zeitnot und Hektik zu befinden.

Der Autor hat dafür den Begriff der „Beschleunigungsgesellschaft“ eingeführt, die alle Altersstufen und Lebensbereiche betrifft. Schon Kinder führen Terminkalender und hetzen zwischen Schule, Ballettunterricht und Nachhilfe hin und her. Der Arbeitstag von Erwachsenen ist nicht selten von Stress und einer hohen Arbeitsdichte geprägt; Überstunden und Schichtdienste gehören für viele zum Alltag.

Stress, Hektik, Leistungsdruck und Arbeitsdichte haben für die meisten Menschen in den vergangenen Jahren offenbar rapide zugenommen. „Höher, schneller und weiter“ ist daher nicht nur der Wahlspruch der Olympioniken; es ist vor allem das Mantra eines sich ständig beschleunigenden Finanzkapitalismus, der unmittelbar auf das Leben der Menschen durchgreift.

Für Hengsbach haben insbesondere die informationsgestützten Finanzmärkte seit Beginn des neuen Jahrtausends „einen Megaschub an gesellschaftlicher Beschleunigung“ angestoßen. Mit fatalen Folgen für die Menschen: die derart beschleunigte Arbeitswelt führt zu immer mehr psychosomatischen Erkrankungen, Schlaflosigkeit und dem mittlerweile fast allgegenwärtigen „Burnout-Syndrom“.

Der nun erschienene "Stressreport Deutschland 2012" bestätigt diesen Trend: Fast die Hälfte der Deutschen klagt über wachsenden Stress im Job. Verstärkt werden diese Phänomene durch allerlei technische Errungenschaften der vergangenen Jahre: Email, SMS, Mobiltelefone und Computer sorgen dafür, dass der moderne Mensch, der bei 300 Stundenkilometern telefonierend im ICE sitzt, nahezu ständig erreichbar ist.

Die Beschleunigung scheint also ein Wesensmerkmal der Neuzeit zu sein. Ausgehend vom Fernhandel des Mittelalters kam dieser Prozess mit der Industrialisierung im 18. Jahrhundert in Gang und erfuhr im Computerzeitalter einen weiteren, dynamischen Schub. In den Megastädten der globalisierten Welt findet die Beschleunigung gegenwärtig ihre wohl markanteste Ausprägung.

Die Frage, ob das moderne Leben immer schneller und hektischer wird, ist allerdings nicht so ohne weiteres zu beantworten. Schon das wilhelminische Kaiserreich war von rastloser Unruhe geprägt; die Zeit um 1900 gilt nicht von ungefähr als die Ursprungszeit des modernen Tempos. Das „Hetzen und Jagen“ sollte zum charakteristischen Signum einer ganzen Epoche werden.

Der Historiker Joachim Radkau hat die Zeit um 1900 daher treffend als das „Zeitalter der Nervosität“ bezeichnet. Dass sich diese Entwicklung unter den Bedingungen des digitalen Zeitalters verschärft und mithin beschleunigt hat, leuchtet ein. Beschleunigung und Verdichtung sind zwei maßgebliche Schlüsselbegriffe der Moderne. Insofern leben wir wohl tatsächlich in einem Zeitalter der Beschleunigung.