Freitag, 25. Januar 2013

Vergangenheit, die nicht vergehen will


Vergangenheit, die nicht vergehen will
80 Jahre „Machtergreifung“: Die Erinnerung an Hitler geht in die nächste Runde

Soviel Hitler war nie. Pünktlich zum 80. Jahrestag von Hitlers „Machtergreifung“ geht die Erinnerung an den Nationalsozialismus und Adolf Hitler in die nächste Runde. Es ist wie mit dem Maya-Kalender, der wieder von vorn zu zählen beginnt. Die Zyklen der nationalsozialistischen Ära sind allerdings weitaus kürzer als die der Maya: Hitlers Reich, das sich tausendjährig wähnte, hat nur ein Dutzend Jahre überdauert.

Grund genug, alle zwölf Jahre einen neuen Erinnerungszyklus zu beginnen. Als wichtige Grundlage unserer historischen Erinnerung gilt die sogenannte „Anlassgeschichtsschreibung“, die mit der Wiederkehr bedeutender Ereignisse und Jubiläen die Taktung des historischen Kalenderjahres vorgibt. Da kommt die „Machtergreifung“ gerade recht. Obwohl darüber doch eigentlich alles längst gesagt ist.

Denn kaum ein Thema der Geschichtsschreibung ist besser erforscht als das Dritte Reich. Alle Facetten der Hitlerzeit scheinen ausgeleuchtet; beinah jeder Tag der Diktatur ist minutiös erforscht. Zum Jahrestag der „Machtergreifung“ ist dessen ungeachtet mit einer weiteren Fülle von Büchern, Zeitschriften, Artikeln, und TV-Produktionen zu rechnen, welche die Publikationsflut zum Thema weiter vermehren.

Besonders das Geschichtsfernsehen des Guido Knopp ist ohne Hitler kaum vorstellbar. „Hitler - eine Bilanz“, „Hitlers Helfer“, „Hitlers Krieger“, „Hitlers Frauen und Marlene“, „Hitlers Kinder“, „Hitlers Manager“ und nun erneut die „Machtergreifung“ hätten ohne die freundliche Vorarbeit des „Führers“ nicht realisiert werden können. Einzig „Hitlers Hunde“ warten noch auf eine fernsehgerechte Aufbereitung durch die Mainzer.

Die regelmäßigen Wiederholungen der Doku-Dramen, die auf den Spartenkanälen des ZDF beinah täglich zu besichtigen sind, tragen allerdings nicht selten zur Ermüdung des Publikums bei. Auf die Spitze treibt es der Nachrichtenkanal N24, der in seinen militärhistorischen Dokumentationen die Hauptstadt regelmäßig in Schutt und Asche legt. Den Spott-Titel „Nazi 24“ hat sich der Sender redlich verdient.

Auch im Printbereich geht ohne Hitler nix: „Der Spiegel“ kann seine Auflage erheblich steigern, sobald Hitler auf dem Titel erscheint. Das Konterfei des „Führers“ zierte in den vergangenen Jahren immer wieder den Titel des Magazins, so dass man nicht ohne Grund von einer (verkaufsfördernden) Hitler-Obsession sprechen kann. Hitler - so scheint es - ist allgegenwärtig; er steht für eine Vergangenheit, die einfach nicht vergehen will.

Um nicht missverstanden zu werden: Historische Erinnerung und Aufklärung - insbesondere an das Grauen der Nazi-Diktatur mit Weltkrieg und Holocaust - sind wichtig. Es kommt aber auch hier auf die richtige Dosis an. Die Deckerinnerung der Hitlerzeit hat andere Epochen dermaßen an den Rand gedrängt, dass diese kaum mehr wahrgenommen werden. Ein bisschen weniger Hitler würde da wohl nicht schaden.

Guido Knopp geht übrigens Ende Januar 2013 - pünktlich zur Wiederkehr der „Machtergreifung“ - in den wohlverdienten Ruhestand. Welch Ironie der Geschichte.

Donnerstag, 17. Januar 2013

Der Untergang der FDP


Der Untergang der FDP
Steht der parteipolitische Liberalismus in Deutschland vor dem Aus?

Die deutsche Sprache ist reich an maritimen Untergangsmetaphern. So lässt sich das profane Wörtchen „Scheitern“ durch ein halbes Dutzend Synonyme ersetzen, die allesamt der Schifffahrt oder, genauer gesagt, dem Schiffbruch entlehnt sind: Man kann „kentern“, „absaufen“, „Leck schlagen“, „baden gehen“, „Schiffbruch erleiden“ oder „untergehen“.

Am kommenden Sonntag wird sich bei der Landtagswahl in Niedersachsen entscheiden, ob die FDP untergeht. Sollte sie an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, wäre dies ein Menetekel für die anstehende Bundestagswahl im Herbst. Zudem wäre eine Niederlage ein Fanal für das erbärmlich schwache Führungspersonal der Partei.

Der politische Liberalismus in Deutschland befindet sich seit langem in einer tiefen Existenzkrise. Schon einmal, in den 90er Jahren, stand das politische Überleben des „liberalen Korrektivs“ auf dem Spiel, nachdem Generalsekretär Werner Hoyer die FDP zur „Partei der Besserverdienenden“ erklärte und dafür Hohn, Spott und Verachtung erntete.

Die Gründe für die Krise der FDP sind heute wie damals dieselben. Der Liberalismus in Deutschland ist mittlerweile Allgemeingut: Fast alle liberalen Kernforderungen sind im Grundrechtskatalog unserer Verfassung verwirklicht. Der allmächtige Staat ist in die Schranken gewiesen, das liberale Mantra „Markt vor Staat“ längst Realität.

Zudem sind zahlreiche liberale Positionen in die Programme anderer Parteien eingeflossen. Der Wirtschaftsliberalismus ist in Teilen der Union heute besser aufgehoben als im vermeintlichen „Original“ FDP. Klassische liberale Themen wie Bürgerrechte und individuelle Freiheit werden heute von den Grünen repräsentiert.

Der Markenkern der FDP ist bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt. Die Partei ist heute zu einer neoliberalen Klientel- und Mittelstandspartei verkommen, deren permanente Forderung nach Steuersenkungen vor allem die Interessen der Besserverdienenden und Gutsituierten im Lande bedient. Kurzum: Die FDP ist politisch überflüssig.

Am Sonntag geht es nicht allein um das Überleben der Partei, es steht auch die politische Zukunft des glücklosen Vorsitzenden Philipp Rösler auf dem Spiel. Geht Niedersachsen in die Binsen oder kommt die FDP gerade eben über fünf Prozent, dürfte Rösler fällig sein und noch vor der Bundestagswahl abgelöst werden.

Im „Lied der Niedersachsen“ heißt es: „Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen...“. Der Wahl-Sonntag könnte sich zu einem schweren Sturm für die FDP auswachsen. Es bleibt abzuwarten, ob das liberale Totenschiff endgültig dem Untergang entgegensteuert oder das Leck noch einmal notdürftig geflickt werden kann.

Allerdings - Totgesagte leben bekanntlich länger. Mit der Hilfe von Leihstimmen aus dem Reservoir der CDU könnte es für die Liberalen kurzfristig doch noch mal reichen. Die Erosion der FDP, die inhaltlich und personell ausgeblutet ist, dürfte indes kaum aufzuhalten sein - und das ist nicht einmal bedauerlich.

Samstag, 12. Januar 2013

Einfach mal die Klappe halten


Einfach mal die Klappe halten
Prominente und Politik - eine unheilige Allianz

Gérard Depardieu ist nun Russe. Um der Reichensteuer von stattlichen 75 Prozent im eigenen Land zu entgehen, wechselte der ebenso beliebte wie beleibte Mime vor Kurzem die Nationalität und ließ sich einen russischen Pass ausstellen. Doch damit nicht genug. Der Russland-Fan wurde zuletzt mit Äußerungen zitiert, die einen sprachlos machen.

So würdigte Depardieu den russischen Staat, der im vergangenen Jahr mit einer drastischen Strafe gegen die Punk-Band „Pussy Riot“ ins Gerede gekommen war, als „große Demokratie“. Der erklärte Putin-Freund hatte schon bei früheren Gelegenheiten den Statthalter Putins in Tschetschenien mit einem forschen „Ruhm sei Kadyrow“ hochleben lassen.

Die russischen Verbrechen aus den beiden Tschetschenien-Kriegen sowie die Menschenrechte spielen für Depardieu offenbar keine Rolle. Der Fall Depardieu ist nur der letzte in den Medien bekannt gewordene Total-Ausrutscher eines Prominenten, der sich in geradezu dümmlicher Weise auf einem Terrain bewegt, von dem er offenkundig nichts versteht.

Aber Depardieu ist nicht allein: Brigitte Bardot, einst Sexsymbol und nun radikale Tierschützerin mit einem Hang zu rassistischen Entgleisungen, gab an, es Depardieu gleich zu tun und ebenfalls einen russischen Pass zu beantragen. Schon früher hatte sie zu Protokoll gegeben, dass Putin ihr „Lieblingspremierminister“ sei, da er sich für ein Verbot der Delfinjagd vor Grönland ausgesprochen hatte.

Die Liste ist beliebig erweiterbar und verbale Fehltritte sind keine Spezialität französischer Altstars: Fürstin Gloria von Thurn und Taxis etwa, das intellektuelle Epizentrum des deutschen Hochadels, stellte vor Jahren den Zusammenhang zwischen der Aids-Epidemie in Afrika und dem Sexualverhalten schwarzer Männer her: „Der Schwarze schnackselt gerne“. Gratulation: welch brillante Analyse!

Ein anderes geistiges Kaliber, die US-Sängerin Mariah Carey, wird von ähnlich großen Sorgen geplagt, wenn sie vom schwarzen Kontinent spricht: Sie wäre auch gern so dünn wie „die armen, schwarzen Kinder auf dieser Welt, aber nicht mit diesen Mücken, dem Elend und den ganzen Sachen.“ Sie hat’s tatsächlich so gesagt. Man ist schier sprachlos - und peinlich berührt.

Es ist immer wieder erstaunlich, zu welch bizarren Äußerungen Prominente imstande sind, wenn es um etwas anderes als Schauspielerei, Pferdezucht oder die holde Sangeskunst geht. Prominente und Politik - das ist eine zumeist unheilige Allianz, die geprägt ist von peinlichen Fehltritten, verbalen Ausrutschern und fassungslosem Fremdschämen beim Publikum.

Dabei gilt für die meisten dieser Fälle wohl der Satz, den der französische Ex-Präsident Jacques Chirac vor Jahren im Vorfeld des Irak-Krieges über den polnischen Präsidenten geäußert hatte. Chirac sagte damals, dass Kaczynski „eine gute Gelegenheit zum Schweigen“ verpasst habe. Depardieu und Co. sollten sich Chiracs Ratschlag zu Herzen nehmen und öfter mal die Klappe halten. Dringend. 

Freitag, 4. Januar 2013

Malheur, Marke Steinbrück


Malheur, Marke Steinbrück
Peer Steinbrück ist ins Fettnäpfchen getreten. Mal wieder

Kaum hatte sich die Debatte und die teilweise künstliche Erregung um die Nebenverdienste Peer Steinbrücks einigermaßen beruhigt, legte der SPD-Kanzlerkandidat letzte Woche in einem Zeitungsinterview erneut nach: Der deutsche Bundeskanzler verdiene gemessen an seiner Verantwortung zu wenig. Zudem bekomme jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen ein höheres Gehalt.

Ein weiteres Malheur der Marke Steinbrück: geraderaus formuliert, zugespitzt, authentisch. Ein „echter Steinbrück“ also, der erneut ums Geldverdienen kreist und in der Öffentlichkeit den fatalen Eindruck hinterlässt, ihm ginge es primär ums eigene Wohlergehen. Dabei ist das Amt des Kanzlers weniger mit Geld verbunden; vielmehr locken Macht und Prestige sowie die Chance, sich als erster Diener des Staates in die Geschichtsbücher einzuschreiben.

Bei Lichte besehen hat Steinbrück wohl Recht. Ein Regierungschef ist im Vergleich zu weit weniger verantwortungsvoll tätigen Wirtschaftsbossen kein Spitzenverdiener. Die rund 250.000 Euro, die ein Kanzler inklusive der Diäten für den Bundestag im Jahr verdient, liegen allerdings weit jenseits dessen, was sich ein Facharbeiter, ein Polizist oder eine Krankenschwester überhaupt vorstellen können.

Überdies bewegt sich die Gehaltshöhe des Bundeskanzlers verglichen mit anderen, europäischen Regierungschefs in etwa im europäischen Mittelfeld. Warum also die erneute Provokation auf dem so arg verminten Geld-Gelände? Und wenn es Steinbrück schon um Löhne und Gehälter geht, warum sorgt sich der Sozialdemokrat nicht in gleichem Maß um Geringverdiener, Hartz-IV-Aufstocker oder Arbeitslose?

Die nicht enden wollende Debatte um Rednerhonorare haben Steinbrücks Start als Kanzlerkandidat einigermaßen verhagelt. Die neuerliche Diskussion um das angeblich zu schmal bemessene Salär eines Bundeskanzlers ist eine weitere Steilvorlage für die Regierung. Und sie ist Gift für einen SPD-Wahlkampf, der - neun Monate vor der Bundestagswahl -  gegen den Eindruck ankämpfen muss, Steinbrück sei in Wahrheit ein besserwisserischer, arroganter Raffke.

Mit dem politischen Gespür des Kandidaten scheint es nicht zum Besten bestellt; denn Dinge zu äußern, die zweifellos stimmen, mag ehrenwert sein - in der Politik ist dies jedoch weder klug noch opportun. Steinbrücks Beraterstab hätte den Lapsus bemerken müssen; dass ebenjenes Zitat bei der Autorisierung des Interviews „durchgerutscht“ ist, wirft indes kein gutes Licht auf Steinbrücks Leute.

Der ursprüngliche Fahrplan zur Nominierung des SPD-Kanzlerkandidaten sah vor, den Bewerber noch vor der Niedersachsen-Wahl gegen Ende des Jahres aufs Schild zu heben. Der medial geschürte, öffentliche Druck, der die SPD zum Vorziehen der Kandidatenfrage zwang, rächt sich nun. Denn der Kandidat Steinbrück steht bis zur Wahl noch gut neun Monate lang im Rampenlicht schärfster Beobachtung.

Genug Zeit also, um erneut beherzt ins Fettnäpfchen zu treten. Denn um eines wird man sich im Fall Peer Steinbrück keine Gedanken machen müssen: dass der Kandidat, der so gern „Beinfreiheit“ für sich beansprucht, nun zum kreidefressenden Weichspüler mutiert. Man darf also abwarten, wie viele Missgeschicke der Marke Steinbrück dem Kandidaten auf dem Weg ins Kanzleramt noch widerfahren.