Freitag, 28. Februar 2014

Die Macht der Erinnerung

Die Macht der Erinnerung
Warum das Jahr 2014 ein „Supererinnerungsjahr“ wird

2014 ist ein besonderes Jahr. Es ist zwar kein „Superwahljahr“, das mit einer Vielzahl von Wahlen auf Bundes-, Landes-, und kommunaler Ebene aufwarten kann. Aber es ist ein „Supererinnerungsjahr“, denn 2014 jährt sich das Gedenken an drei einschneidende historische Ereignisse.

100 Jahre Erster Weltkrieg, 75 Jahre Zweiter Weltkrieg und schließlich 25 Jahre Mauerfall sind die Wegmarken der historischen Erinnerung in diesem Jahr. Die vergangenen Ereignisse stellen tiefe Epochenzäsuren der deutschen Geschichte dar, die in einem engen inhaltlichen Zusammenhang stehen.

Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass der Zweite Weltkrieg ohne die Vorgeschichte der Jahre 1914-1918 nicht denkbar wäre. Und auch die friedliche Revolution von 1989 die zum Mauerfall führte wäre ohne den Kalten Krieg als Folge des Zweiten Weltkriegs nicht vorstellbar.  

Große Ereignisse werfen bekanntlich ihre Schatten voraus. So ist es kein Wunder, dass sich Bücher, Zeitungen, Radio, TV, Blogs und Ausstellungen mit der Wiederkehr historischer Ereignisse beschäftigen. Publikationen zum Ersten Weltkrieg führen schon seit Monaten die Bestsellerlisten an.

Zahlreiche Ausstellungen im ganzen Land befassen sich ebenfalls mit dem neuralgischen Datum „1914“. Mancher Beobachter befürchtet indes, dass die vermeintliche Zielgruppe angesichts der Übermacht an Pickelhauben, Feldhaubitzen und Kaiserreden nicht ein bisschen überfordert wird.

Weniger ist ja bekanntlich mehr. Aber man wird sehen. Die Macht der Erinnerung, die sich aus der kalendarischen Wiederkehr bedeutender Jahrestage speist, hält für alle, die von 1914 genug haben, noch den Beginn des Zweiten Weltkriegs sowie den Anfang vom Ende der DDR bereit.

Im Gegensatz zu den beiden Weltkriegen, die ein Heer an Toten und Verwundeten zurückließen, ging die Revolution in der DDR weitgehend friedlich vor sich. Die Erinnerung an SED-Diktatur und Stasi-Terror ist zudem frisch; zahlreiche Zeitzeugen leben noch und können darüber Auskunft geben.

Wer den Fall der Berliner Mauer in Echtzeit am Fernseher miterlebte, hat zumeist ein besonderes Verhältnis zu den Ereignissen um den 9. November 1989. Etwas Unvorstellbares wurde damals Wirklichkeit. Das Wort „Wahnsinn“  war erst in aller Munde und avancierte dann zum heimlichen Wort des Jahres.

Das „Supererinnerungsjahr“ 2014 wird uns die dramatischen Ereignisse der Vergangenheit wieder ins Gedächtnis rufen - ob wir wollen oder nicht.


Samstag, 22. Februar 2014

Aus grün wird gelb

Aus grün wird gelb
Hätten die Grünen als ökologisch gewendete FDP eine Zukunft?

Die Opposition im Deutschen Bundestag ist klein, aber sie existiert. In Zeiten der Großen Koalition, die mal liebevoll, mal verächtlich nur „Groko“ genannt wird, fällt der Opposition im Parlament ein besonderer Stellenwert zu. Sie hat die Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren und Alternativen zur erdrückenden Mehrheit der Politik von CDU/CSU und SPD zu formulieren.

Durch das sang- und klanglose Verschwinden der FDP befinden sich gegenwärtig nur noch zwei Oppositionsparteien im Bundestag: Die Linke und die Grünen. Nach dem vergeigten Bundestagswahlkampf, der die Ökopartei vorwiegend durch ein fatales Steuererhöhungsimage und als Verbotspartei in die Schlagzeilen brachte, versuchen sich die Grünen derzeit ein neues Image zu verpassen.

Das Unterfangen klingt auf den ersten Blick nicht unlogisch: Die Grünen könnten, so die Idee, das politische Vakuum, welche die unfreiwillige Fahnenflucht der Liberalen hinterlassen hat, ausfüllen. Die grüne Kernkompetenz Umweltschutz könnte um das einstige liberale Thema der Bürgerrechte ergänzt werden; die Grünen würden sich so thematisch breiter aufstellen und neue Wählerschichten erschließen.

Können die Grünen also den Liberalismus aus den Fängen einer politisch marginalisierten FDP retten? Wäre ein von der sozialen Eiseskälte befreiter grüner Liberalismus vorstellbar, der sich nicht zum bloßen Erfüllungsgehilfen deregulierter Märkte macht und stattdessen Verantwortung und Solidarität betont? Wäre die Häutung der Grünen zu einer Art liberalen Ökopartei glaubwürdig?

Auf den ersten Blick scheinen sich die Milieus der beiden Parteien gar nicht einmal so unähnlich. Beide halten freiheitliche Werte hoch, votieren für Bürgerrechte und zählen vor allem besserverdienende Schichten zu ihrer Klientel. Bei der Wirtschaftspolitik treten aber die Gegensätze hervor: Während die FDP für freie Märkte, Rendite und Wachstum eintritt, betonen die Grünen ökologische Nachhaltigkeit.

Die Politik der Liberalen hat sich seit Jahren für eine kleine Gruppe wirtschafts-, eigentümer- und unternehmerorientierter Kreise eingesetzt; sie war die Lobby einer privilegierten Klasse, deren Mantra Leistungsbereitschaft, Wettbewerb und Staatsskepsis ist. Der FDP-Klientel ist die grüne Lebenswelt bei allen Parallelen dabei eher fremd, da mögen sich manche Grüne noch so bürgerlich geben.

Bei der liberalen Kernwählerschaft hätten die Grünen also keine Chance. Die eigene Klientel würde man mit einem anbiedernden Kurs auf vermeintlich verwaiste liberale Ideen überdies abschrecken, denn ein wie auch immer gearteter „solidarischer Liberalismus“ ist nun mal ein Widerspruch in sich. Der grünen Lebenswelt lässt sich nicht so ohne weiteres ein wie auch immer gewendeter Liberalismus überstülpen.

„Die Grünen könnten im nächsten Jahrzehnt die FDP ersetzen.“ Der Satz stammt von Franz Müntefering. Der spätere Parteichef hat ihn noch vor der Bundestagswahl 1998 gesagt. Müntefering hatte damals allerdings die Funktion der Grünen als Koalitionspartner für die SPD im Auge. Eine Art grüne FDP hatte er wohl nicht im Sinn. Zu Recht. Denn die hätte im Parteienspektrum kaum eine Überlebenschance.


Sonntag, 16. Februar 2014

Politik und Gier

Politik und Gier
Die neuerliche Diätenerhöhung wird die Politikverdrossenheit weiter anheizen

Es gibt ein verbreitetes Vorurteil im Land. Es lautet: „Die da oben wirtschaften immer zuerst in die eigene Tasche.“ Mit „die da oben“ sind zumeist die Politiker gemeint, die in der populistischen Sichtweise ihre gesellschaftliche Spitzenstellung dazu missbrauchen, sich die Taschen vollzustopfen. Viele Menschen im Land denken so und urteilen damit pauschal über die politische Klasse. Aber ist dem auch tatsächlich so?

Fakt ist: Die erste politische Großtat der schwarz-roten Koalition wird in der erneuten Anhebung der Diäten bestehen. Diese sollen zum 1.7.2014 um 415 Euro auf dann 8.667 Euro steigen; der zweite Schritt der „Diätenanpassung“ ist nach Neujahr fällig. Ab 1.1.2015 steigen die Bezüge der Volksvertreter noch einmal um 415 Euro auf somit 9.082 Euro. Binnen Jahresfrist steigen die Diäten also um 10 Prozent.

Die Abgeordnetenbezüge erhöhen sich damit um einen Betrag von 830 Euro; so mancher Rentner bringt es selbst nach 30 Versicherungsjahren nicht auf dieses Niveau. Zu alldem gesellt sich noch eine steuerfreie Kostenpauschale von derzeit 4.123 Euro mit der die Parlamentarier laufende Auslagen sowie ihr Bundestagsbüro finanzieren. Von einer „Diät“ im Sinne von „Maßhalten“ kann also keine Rede sein.

Fast zur gleichen Zeit hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Verdi-Forderung nach einer Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst von 3,5 Prozent als „maßlos überzogen“ zurückgewiesen. De Maizière rief im selben Atemzug zu mehr Lohnbescheidenheit auf. Moment mal: Zehn Prozent für Abgeordnete sind okay - 3,5 Prozent für die Staatsbediensteten sind es nicht? Da stimmt doch was nicht.  

Die Abgeordneten sind die wahrscheinlich einzige Berufsgruppe im Land die eigenmächtig über die Höhe ihrer Bezüge entscheidet. Durch die Anpassung sollen die Diäten an die Bezüge beamteter Bundesrichter gekoppelt werden. Doch mit welchem Recht? Bundesrichter sind zumeist erstklassige Juristen; sie haben eine qualifizierte Ausbildung durchlaufen und große Berufserfahrung erlangt.

Das lässt sich längst nicht von allen Abgeordneten sagen. Das hohe Gehalt der Richter soll nicht zuletzt deren Unabhängigkeit sicherstellen; Richter haben - im Gegensatz zu vielen Abgeordneten - auch keine Nebeneinkünfte. Die Vergleichsgröße „Bundesrichter“ ist also aus der Luft gegriffen. Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim hält das geplante Diätengesetz nicht zuletzt deshalb für verfassungswidrig.

Um es klar zu sagen: Politiker sollen gut und angemessen bezahlt werden. Aber genau daran hapert es. Die aktuelle Diätenerhöhung ist an selbstgefälliger Maßlosikgeit kaum zu überbieten. Insbesondere vor dem Hintergrund der abgelehnten Verdi-Forderung erscheint die Diätenerhöhung als bodenlose Frechheit. Viele Politiker der Großen Koalition haben offenbar jeden Bezug zur Realität verloren.

Wie war das noch? „Die da oben wirtschaften immer zuerst in die eigene Tasche.“ Stimmt. Das vermeintliche Vorurteil wird durch die zügellose Gier vieler Politiker derzeit auf übelste Weise bestätigt. Die Diätenerhöhung wird nicht nur die Politikverdrossenheit weiter anheizen. Schlimmer noch: Sie wird zur weiteren Politikerverachtung beitragen die schlimmstenfalls zur Erosion der Demokratie führen kann.  

Freitag, 7. Februar 2014

Wenn der Shitstorm aufzieht

Wenn der Shitstorm aufzieht
Was tun, wenn der virtuelle Mob die Social-Media-Kanäle kapert?

Alle Jahre wieder. Nein, nicht nur zur Weihnachtszeit. Der Shitstorm ist kein jährlich wiederkehrendes Fest, sondern traurige Realität einer aus den Fugen geratenen Netzkultur. Die Social-Media-Kanäle von Firmen und Prominenten können schnell zur Zielscheibe von Hass, Häme und Drohungen werden. Zuletzt bekamen das Alice Schwarzer, Markus Lanz und der Fußballer Stefan Kießling zu spüren.

Der Duden definiert einen Shitstorm als „Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht“. Das ist vergleichsweise harmlos formuliert. Wer einen Blick in die Kommentarspalten von willkürlich ausgewählten Netzartikeln wagt, ist erstaunt über den rüden Umgangston und die hämischen Schmähungen, die man dort vernimmt.  

Nun muss man das Phänomen des Shitstorms von der rauen Kommunikationskultur im Internet trennen, denn nicht jede Beleidigung ist gleich ein Shitstorm. Eine Gemeinsamkeit beseht jedoch: Erst im Schutze der Anonymität lassen sich viele User zu wütenden Hasskommentaren hinreißen. Es ist ja auch so einfach. Die „Steinigung per Tastatur“ ist risikolos in nur wenigen Augenblicken vollbracht.

http://glossariumblog.blogspot.de/2012/12/im-auge-des-sturms.html

Frank Plasberg hat mit seiner Talkshow „hart aber fair“ vor Kurzem darauf reagiert. Plasberg lässt künftig keine anonymen Online-Meinungen mehr zu, die als Statement in die Sendung einfließen. Auch der Journalist und Blogger Michael Spreng hat kürzlich angekündigt, in seinem Blog „Sprengsatz“ demnächst keine anonymen Kommentare mehr zuzulassen, um so gegen die „Schwarmfeigheit“ vorzugehen.

Allzu oft hat die Anonymität in den Kommentarspalten zu verleumderischen und verletzenden Äußerungen geführt. Plasberg wie Spreng forderten die User auf, „Gesicht zu zeigen“ und mit dem realen Namen ihre Meinung kund zu tun. Damit lassen sich zwar anonyme Kommentare in Blogs und Foren ausschließen; Shitstorms und das raue Klima im Netz wird man dadurch aber nicht verhindern können.

Shitstorm auf Facebook & Co.: Traurige Realität im Netz

Wohlfeile Appelle an zivilere Umgangsformen im Internet oder gar ein virtuelles „Vermummungsverbot“ laufen ins Leere. Auf diese Weise wird man das Internet und seine negativen Begleiterscheinungen kaum zivilisieren können. Ein Shitstorm gehört wohl zum Internet wie der tödliche Autounfall zum Straßenverkehr. Mit bestimmten Auswüchsen durch virtuelle Wutbürger wird man wohl oder übel leben müssen.

Das Internet scheint neben dem Fußballstadion eines der letzten Refugien zu sein, in denen man ungestraft Dampf ablassen kann. Unternehmen und Prominente sollten darauf mit einer klugen Krisenstrategie reagieren. Eine transparente und glaubwürdige Krisenkommunikation muss für den Fall der Fälle vorliegen. Das eigene Fehlverhalten muss dabei offen angesprochen, Besserung gelobt werden.

Zukünftig können dadurch neue Chancen für die Rückgewinnung des verlorenen Vertrauens entstehen. Seiten vorübergehend zu schließen, um der Kritik dadurch zu umgehen, ist hingegen keine gute Idee. Dieses Verhalten befeuert die negative Berichterstattung in Blogs, Foren und Zeitungen nur noch. Berechtigte wie unberechtigte Kritik kann durch den Schneeballeffekt schnell außer Kontrolle geraten.

Das falsche Krisenmanagement kann sich dann zu einem veritablen Shitstorm auswachsen, der an die Substanz der öffentlichen Darstellung und Wahrnehmung von Firmen und Prominenten geht. Bei alledem müssen die Verantwortlichen schnell und umsichtig handeln, Vertuschung und Ignoranz sind zu vermeiden. Die gute Krisen-kommunikation lässt auch bei Provokationen die Höflichkeit im Ton nicht vermissen.

Sich vorbeugend gegen einen Shitstorm zu immunisieren, scheint aber unmöglich. Zu unkalkulierbar ist das oftmals komplexe Tagesgeschäft, zu unwägbar scheinen die Gründe, die Privatpersonen und Unternehmen ins Visier der öffentlichen Erregung bringen. Gleichwohl sollten zumindest Firmen eine Krisenstrategie und ein Handbuch für den Notfall bereithalten, damit der Shitstorm schnell vorüberzieht.