Politik und Gier
Die neuerliche
Diätenerhöhung wird die Politikverdrossenheit weiter anheizen
Es gibt ein verbreitetes Vorurteil im Land. Es lautet: „Die
da oben wirtschaften immer zuerst in die eigene Tasche.“ Mit „die da oben“ sind zumeist die Politiker gemeint, die in der populistischen Sichtweise ihre
gesellschaftliche Spitzenstellung dazu missbrauchen, sich die Taschen vollzustopfen.
Viele Menschen im Land denken so und urteilen damit pauschal über die
politische Klasse. Aber ist dem auch tatsächlich so?
Fakt ist: Die erste politische Großtat der schwarz-roten Koalition
wird in der erneuten Anhebung der Diäten bestehen. Diese sollen zum 1.7.2014 um
415 Euro auf dann 8.667 Euro steigen; der zweite Schritt der „Diätenanpassung“
ist nach Neujahr fällig. Ab 1.1.2015 steigen die Bezüge der Volksvertreter noch
einmal um 415 Euro auf somit 9.082 Euro. Binnen Jahresfrist steigen die Diäten
also um 10 Prozent.
Die Abgeordnetenbezüge erhöhen sich damit um einen Betrag
von 830 Euro; so mancher Rentner bringt es selbst nach 30 Versicherungsjahren
nicht auf dieses Niveau. Zu alldem gesellt sich noch eine steuerfreie
Kostenpauschale von derzeit 4.123 Euro mit der die Parlamentarier laufende
Auslagen sowie ihr Bundestagsbüro finanzieren. Von einer „Diät“ im Sinne von
„Maßhalten“ kann also keine Rede sein.
Fast zur gleichen Zeit hatte Bundesinnenminister Thomas de
Maizière die Verdi-Forderung nach einer Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst von
3,5 Prozent als „maßlos überzogen“ zurückgewiesen. De Maizière rief im selben
Atemzug zu mehr Lohnbescheidenheit auf. Moment mal: Zehn Prozent für
Abgeordnete sind okay - 3,5 Prozent für die Staatsbediensteten sind es nicht? Da
stimmt doch was nicht.
Die Abgeordneten sind die wahrscheinlich einzige Berufsgruppe
im Land die eigenmächtig über die Höhe ihrer Bezüge entscheidet. Durch die
Anpassung sollen die Diäten an die Bezüge beamteter Bundesrichter gekoppelt
werden. Doch mit welchem Recht? Bundesrichter sind zumeist erstklassige
Juristen; sie haben eine qualifizierte Ausbildung durchlaufen und große
Berufserfahrung erlangt.
Das lässt sich längst nicht von allen Abgeordneten sagen.
Das hohe Gehalt der Richter soll nicht zuletzt deren Unabhängigkeit
sicherstellen; Richter haben - im Gegensatz zu vielen Abgeordneten - auch keine
Nebeneinkünfte. Die Vergleichsgröße „Bundesrichter“ ist also aus der Luft
gegriffen. Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim hält das geplante
Diätengesetz nicht zuletzt deshalb für verfassungswidrig.
Um es klar zu sagen: Politiker sollen gut und angemessen
bezahlt werden. Aber genau daran hapert es. Die aktuelle Diätenerhöhung ist an selbstgefälliger
Maßlosikgeit kaum zu überbieten. Insbesondere vor dem Hintergrund der
abgelehnten Verdi-Forderung erscheint die Diätenerhöhung als bodenlose
Frechheit. Viele Politiker der Großen Koalition haben offenbar jeden Bezug zur
Realität verloren.
Wie war das noch? „Die da oben wirtschaften immer zuerst in
die eigene Tasche.“ Stimmt. Das vermeintliche Vorurteil wird durch die
zügellose Gier vieler Politiker derzeit auf übelste Weise bestätigt. Die
Diätenerhöhung wird nicht nur die Politikverdrossenheit weiter anheizen. Schlimmer
noch: Sie wird zur weiteren Politikerverachtung
beitragen die schlimmstenfalls zur Erosion der Demokratie führen kann.
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