Aus grün wird gelb
Hätten die Grünen als ökologisch
gewendete FDP eine Zukunft?
Die Opposition im Deutschen Bundestag ist klein, aber sie
existiert. In Zeiten der Großen Koalition, die mal liebevoll, mal verächtlich
nur „Groko“ genannt wird, fällt der Opposition im Parlament ein besonderer
Stellenwert zu. Sie hat die Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren und
Alternativen zur erdrückenden Mehrheit der Politik von CDU/CSU und SPD zu
formulieren.
Durch das sang- und klanglose Verschwinden der FDP befinden
sich gegenwärtig nur noch zwei Oppositionsparteien im Bundestag: Die Linke und
die Grünen. Nach dem vergeigten Bundestagswahlkampf, der die Ökopartei vorwiegend
durch ein fatales Steuererhöhungsimage und als Verbotspartei in die
Schlagzeilen brachte, versuchen sich die Grünen derzeit ein neues Image zu
verpassen.
Das Unterfangen klingt auf den ersten Blick nicht unlogisch:
Die Grünen könnten, so die Idee, das politische Vakuum, welche die
unfreiwillige Fahnenflucht der Liberalen hinterlassen hat, ausfüllen. Die grüne
Kernkompetenz Umweltschutz könnte um das einstige liberale Thema der
Bürgerrechte ergänzt werden; die Grünen würden sich so thematisch breiter
aufstellen und neue Wählerschichten erschließen.
Können die Grünen also den Liberalismus aus den Fängen einer
politisch marginalisierten FDP retten? Wäre ein von der sozialen Eiseskälte
befreiter grüner Liberalismus vorstellbar, der sich nicht zum bloßen
Erfüllungsgehilfen deregulierter Märkte macht und stattdessen Verantwortung und
Solidarität betont? Wäre die Häutung der Grünen zu einer Art liberalen
Ökopartei glaubwürdig?
Auf den ersten Blick scheinen sich die Milieus der beiden
Parteien gar nicht einmal so unähnlich. Beide halten freiheitliche Werte hoch,
votieren für Bürgerrechte und zählen vor allem besserverdienende Schichten zu
ihrer Klientel. Bei der Wirtschaftspolitik treten aber die Gegensätze hervor:
Während die FDP für freie Märkte, Rendite und Wachstum eintritt, betonen die
Grünen ökologische Nachhaltigkeit.
Die Politik der Liberalen hat sich seit Jahren für eine
kleine Gruppe wirtschafts-, eigentümer- und unternehmerorientierter Kreise
eingesetzt; sie war die Lobby einer privilegierten Klasse, deren Mantra
Leistungsbereitschaft, Wettbewerb und Staatsskepsis ist. Der FDP-Klientel ist
die grüne Lebenswelt bei allen Parallelen dabei eher fremd, da mögen sich
manche Grüne noch so bürgerlich geben.
Bei der liberalen Kernwählerschaft hätten die Grünen also
keine Chance. Die eigene Klientel würde man mit einem anbiedernden Kurs auf
vermeintlich verwaiste liberale Ideen überdies abschrecken, denn ein wie auch
immer gearteter „solidarischer Liberalismus“ ist nun mal ein Widerspruch in
sich. Der grünen Lebenswelt lässt sich nicht so ohne weiteres ein wie auch
immer gewendeter Liberalismus überstülpen.
„Die Grünen könnten im nächsten Jahrzehnt die FDP ersetzen.“
Der Satz stammt von Franz Müntefering. Der spätere Parteichef hat ihn noch vor
der Bundestagswahl 1998 gesagt. Müntefering hatte damals allerdings die Funktion
der Grünen als Koalitionspartner für die SPD im Auge. Eine Art grüne FDP hatte
er wohl nicht im Sinn. Zu Recht. Denn die hätte im Parteienspektrum kaum eine
Überlebenschance.
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