Freitag, 31. Oktober 2014

„Bielefeld - das gibt’s doch gar nicht!“

„Bielefeld - das gibt’s doch gar nicht!“
Die Bielefeld-Verschwörung feiert in diesem Jahr ihren 20. Geburtstag

Alles fing mit einem harmlosen Satz auf einer Studentenparty an. Ein Gast aus dem ostwestfälischen Bielefeld bekam vor rund 20 Jahren den Spruch „Bielefeld - das gibt’s doch gar nicht!“ zu hören. Ein halbes Jahr später war die Bielefeld-Verschwörung in der Welt. Ihr Urheber: Achim Held, ein Informatiker aus Kiel, der ursprünglich eine Satire über die Wirkung von Verschwörungstheorien im Sinn hatte.

Durch Helds Internetseite fand die „Verschwörung“ in dem noch jungen Medium rasch eine virale Verbreitung. Die Satire entwickelte dabei eine ebenso starke wie unheimliche Eigendynamik, die auch nach über 20 Jahren nichts von ihrer Anziehungskraft verloren hat: Der Bielefeld-Fake ist seitdem als satirischer Running-Gag aus dem deutschen Sprachgebrauch nicht mehr wegzudenken.

Dabei wählte Achim Held für die Satire extra eine weitgehend „farblose“ Stadt aus, wie er 2012 in einem Interview bekannte. Es hätte auch jede andere x-beliebige Stadt der Größenordnung Bielefelds treffen können. Das ostwestfälische Bielefeld ist letztlich eine austauschbare Chiffre für die typisch deutsche Provinzstadt, von der es neben wenigen, echten Metropolen in diesem Land eine ganze Menge gibt.

Spontan assoziiert man Bielefeld mit Pudding, Pizza und Backtriebmitteln aus dem Hause Dr. Oetker; sodann kommt einem die Bielefelder „Alm“ in den Sinn, das Stadion der Arminia, das heute emotionslos-kommerziell nach einem Fensterhersteller „SchücoArena“ heißt. Vielleicht denkt man auch an die „Bielefelder Schule“, den berühmten Historikerkreis um Hans-Ulrich Wehler und Jürgen Kocka.

Niemand, der noch einigermaßen alle Sinne beisammen hat, wird angesichts so vieler unwiderlegbarer Existenzbeweise die physische Realität der Stadt Bielefeld ernsthaft anzweifeln wollen. Aber genau darum geht es ja in der Satire: um die Absurdität aller noch so bizarren Verschwörungstheorien. Je abwegiger eine Verschwörung erscheint, umso mehr Gründe finden sich für ihre scheinbare Richtigkeit - nicht nur im Internet.

Im Falle Bielefelds waren dies u.a. die zahlreichen Autokennzeichen mit der Buchstaben-kombination „Bi“; von den Anhängern der Verschwörung wurden diese mit einem ehrfurchtsvollen „Die haben sogar so viel Macht, um all die vielen Kennzeichen zu fälschen“ kommentiert. Bei diesem Argumentationsmuster fühlt man sich unweigerlich an 9/11 oder die angeblich nicht erfolgte Mondlandung erinnert.

Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel verwies anlässlich der Verleihung des Deutschen Sozialpreises 2012 auf die Bielefeld-Verschwörung, als sie Gespräche mit Bürgern aus Bielefeld erwähnte und launig hinzufügte „...so es denn existiert“. Das Stadtmarketing zur 800-Jahr-Feier der Stadt Bielefeld 2014 nahm die Verschwörung trotzig mit der munteren Parole „Das gibt’s doch gar nicht“ auf.

Humor muss man eben haben.