Donnerstag, 26. März 2015

Wenn Minister irren

Wenn Minister irren
25 Jahre „Gscheidle-Irrtum“: Wie ein Postminister in Erklärungsnot geriet

Postminister gehören einer politischen Spezies an, die unlängst ausgestorben ist. Zu ihren Aufgaben gehörte die politische Leitung des einstmals staatlichen Post- und Fernmeldewesens. Mit der Privatisierung von Post und Telekom in den 90er Jahren wurden die meisten staatlichen Aufgaben der Behörde obsolet. Das Bundesministerium für Post und Telekommunikation wurde infolgedessen 1997 aufgelöst.

Der Postminister war fortan nicht mehr fester Bestandteil einer Bundesregierung. Ein Blick in die Geschichte des Postministeriums offenbart, dass zahlreiche prominente Politiker als Postminister wirkten: illustre Persönlichkeiten wie Richard Stücklen, Georg Leber, Horst Ehmke und Christian Schwarz-Schilling waren darunter. Meist war das Ressort des Postministers ein Sprungbrett für höhere politische Weihen.

Nicht so im Fall des schwäbischen SPD-Politikers Kurt Gscheidle (1924-2003), der von 1974 bis 1982 Postminister im Kabinett Helmut Schmidts war. Gscheidle dürfte als Politiker heute weithin vergessen sein, sein posthumer Ruhm rührt allein durch den nach ihm benannten, sogenannten „Gscheidle-Irrtum“. Kurt Gscheidle hat es damit sogar bis ins Museum gebracht, aber der Reihe nach.

Kurz vor der Eröffnung der XXII. Olympischen Sommerspiele von Moskau sollte im April 1980 eine Sonderbriefmarke unter dem Titel „Olympiafahne 1980“ erscheinen. Aufgrund des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan boykottierte allerdings ein Großteil der Staatengemeinschaft die Olympiade; die Briefmarke wurde daher nicht herausgegeben und alle bereits produzierten Bestände wieder eingestampft.


    Der „Gscheidle-Irrtum“ im Museum: Briefmarken der Serie 
     „Olympiafahne 1980“ im Museum für Kommunikation, Berlin

Nach damals üblicher Praxis waren dem Postminister vorab einige Bögen der Briefmarken als Vorausexemplar zugestellt worden. Diese wanderten durch ein Versehen Gscheidles in den privaten Schreibtisch des Ministers, wo sie zwischenzeitlich in Vergessenheit gerieten. Die Ehefrau des Ministers, Elisabeth Gscheidle, brachte die ungültigen Marken dann ab 1982 in Umlauf - und den „Gscheidle-Irrtum“ in die Welt.

Frau Gscheidle, offenbar ganz sparsame Schwäbin, ahnte nichts von der postamtlichen Ungültigkeit der Briefmarken. Sie versendete gut zwei Dutzend der Marken für private Zwecke und löste Jahre später, ganz unfreiwillig, in der Briefmarkenszene große Erregung aus. Kurt Gscheidle, 1982 schon nicht mehr im Amt, dürfte durch den folgenreichen Schreibtischfund in arge Erklärungsnot geraten sein.

Die Seltenheit des offiziell nicht existenten Postwertzeichens sorgte dafür, dass Sammler in den vergangenen Jahren auf Auktionen große Summen für die Olympiabriefmarken bezahlten. So wurde eine Briefmarke aus dem Gscheidle-Fundus 2010 für 26.000 Euro versteigert; ein anderes Exemplar, das auf einer Postkarte versendet wurde, erzielte auf einer Auktion mit 85.000 Euro den bislang höchsten Erlös.

Eine Marke, mit der Frau Gscheidle eine Postkarte für ein Preisausschreiben frankierte, bescherte ihr immerhin eine Polaroid-Kamera als Gewinn. Angesichts der exorbitanten Wertsteigerung der Gscheidle-Marken war dies rückblickend wohl nur ein schwacher Trost. Immerhin: Ohne den „Gscheidle-Irrtum“ wäre die Philatelie heute sowohl um eine Briefmarken-Rarität als auch um eine launige Anekdote ärmer.