Freitag, 12. April 2013

Lecker, lecker, lecker…!


Lecker, lecker, lecker…!
Die schlimmste Heimsuchung seit Pest und Cholera: Radiowerbung

Kennen Sie das? Sie sind gut drauf, starten beschwingt und ausgelassen in den Tag, denken an nichts Böses und dann das! Kaum haben sie das Radio eingeschaltet, sehen sie sich einem akustischen Bombenhagel ausgesetzt, der ihre Laune in Sekundenschnelle fragmentiert. Dabei entwickeln sie Hassgefühle, die ihnen als friedliebendem Menschen eigentlich ganz und gar fremd sind.

Kaum ein Alltagsphänomen ist Nerv tötender und lästiger als Rundfunkwerbung. Dabei ist es fast egal, welchen Sender man hört, denn zwischen den schmalen Programminseln mit dem „Besten der 70er, 80er und 90er Jahre“ dröhnt einem im „Formatradio“ ein Schwall dämlicher Jingles, hirnrissiger Slogans und grenzdebiler Reime entgegen, der einen im Nu zum Kochen bringt.

Besonders auf den Wecker fallen in jüngster Zeit die Spots von Discountern und Baumärkten; deren permanente Wiederholungsschleifen in einem aggressiv-marktschreierischen Ton führen nicht selten dazu, dass man das Radio am liebsten mit einem Vorschlaghammer zertrümmern möchte. Wie war das doch gleich? „20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung!“

Auch der „Bratmaxe“-Song rangiert in der nach oben offenen Nerv-Skala ganz vorn. Wenn sich das bratwurstvertilgende, blonde Terror-Kind beim Singen in die höchsten Tonlagen verirrt, biegen sich einem die Fußnägel hoch. Wie gut, dass die Grillsaison bald anfängt und der „Bratmaxe“-Spot wieder regelmäßig zu hören sein wird. Mit solch dämlichen Spots kann man doch unmöglich ein Produkt bewerben. Oder etwa doch?

Ist die Antiwerbung etwa Werbestrategie? Getreu dem Motto: Egal wie nervig die Werbung auch ist - sie erhöht den Bekanntheitsgrad in jedem Fall! Die Firma Carglass scheint nach diesem Prinzip zu verfahren: „Carglass repariert - Carglass tauscht aus“. Was in den 90er Jahren der Lochfraß in Waschmaschinen war sind heute die Mikrorisse in Autoscheiben: das offenbar drängendste Problem unserer Zeit.

Carglass-Spots gleichen durch ihre Überlänge nicht selten einem Hörspiel und machen das Radiohören zur schieren Folter. Danach umschleicht einen das ungute Gefühl, dass permanent und überall Autoscheiben durch böswilligen Steinschlag in Stücke gerissen werden. Schrill, aufdringlich, unentrinnbar: Radiowerbung ist die definitiv schlimmste Heimsuchung seit Pest und Cholera!

Den Titel des nervigsten Radiospots hat sich seit Jahren die Firma Seitenbacher gesichert. Der Müslihersteller quält die Radiohörer mit schwäbelnden Sätzen wie: Woischd Karle, du sollschd emol e Seitenbacher Müsli esse. (…) Na hädschd auch net immer die Probleme mit deiner Verdauung.“ Der beratungsresistente Inhaber, ein gewisser Willi Pfannenschwarz, spricht und produziert die Spots höchst selbst.

Der Peinigung des Hörers durch Radio-Werbung sind keinerlei Grenzen gesetzt. Fragt sich, warum dem GEZ-zahlenden Radiohörer zumindest im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dieser Irrsinn nicht erspart bleibt. Radio ist ein rein akustisches Medium. Um-, ab-, oder leise schalten nützt da wenig: ohne Ton macht Radio keinen Sinn. Also wird man den Schwachsinn bis auf weiteres wohl ertragen müssen.

Wer hören will, muss leiden. In diesem Sinne: „Lecker, lecker, lecker“!

Und weil’s so schön war, hier die schönsten Spots zum Nachhören:





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