Lecker, lecker,
lecker…!
Die schlimmste
Heimsuchung seit Pest und Cholera: Radiowerbung
Kennen Sie das? Sie sind gut drauf, starten beschwingt und
ausgelassen in den Tag, denken an nichts Böses und dann das! Kaum haben sie das
Radio eingeschaltet, sehen sie sich einem akustischen Bombenhagel ausgesetzt, der
ihre Laune in Sekundenschnelle fragmentiert. Dabei entwickeln sie Hassgefühle,
die ihnen als friedliebendem Menschen eigentlich ganz und gar fremd sind.
Kaum ein Alltagsphänomen ist Nerv tötender und lästiger als
Rundfunkwerbung. Dabei ist es fast egal, welchen Sender man hört, denn zwischen
den schmalen Programminseln mit dem „Besten der 70er, 80er und 90er Jahre“
dröhnt einem im „Formatradio“ ein Schwall dämlicher Jingles, hirnrissiger
Slogans und grenzdebiler Reime entgegen, der einen im Nu zum Kochen bringt.
Besonders auf den Wecker fallen in jüngster Zeit die Spots von
Discountern und Baumärkten; deren permanente Wiederholungsschleifen in einem
aggressiv-marktschreierischen Ton führen nicht selten dazu, dass man das Radio
am liebsten mit einem Vorschlaghammer zertrümmern möchte. Wie war das doch
gleich? „20 Prozent auf alles –
außer Tiernahrung!“
Auch der „Bratmaxe“-Song rangiert in der nach oben offenen
Nerv-Skala ganz vorn. Wenn sich das bratwurstvertilgende, blonde Terror-Kind
beim Singen in die höchsten Tonlagen verirrt, biegen sich einem die Fußnägel
hoch. Wie gut, dass die Grillsaison bald anfängt und der „Bratmaxe“-Spot wieder
regelmäßig zu hören sein wird. Mit solch dämlichen Spots kann man doch
unmöglich ein Produkt bewerben. Oder etwa doch?
Ist die Antiwerbung etwa Werbestrategie? Getreu dem Motto: Egal
wie nervig die Werbung auch ist - sie erhöht den Bekanntheitsgrad in jedem
Fall! Die Firma Carglass scheint nach diesem Prinzip zu verfahren: „Carglass
repariert - Carglass tauscht aus“. Was in den 90er Jahren der Lochfraß in
Waschmaschinen war sind heute die Mikrorisse in Autoscheiben: das offenbar drängendste
Problem unserer Zeit.
Carglass-Spots gleichen durch ihre Überlänge nicht selten
einem Hörspiel und machen das Radiohören zur schieren Folter. Danach
umschleicht einen das ungute Gefühl, dass permanent und überall Autoscheiben
durch böswilligen Steinschlag in Stücke gerissen werden. Schrill, aufdringlich,
unentrinnbar: Radiowerbung ist die definitiv schlimmste Heimsuchung seit Pest
und Cholera!
Den Titel des nervigsten Radiospots hat sich seit Jahren die
Firma Seitenbacher gesichert. Der Müslihersteller quält die Radiohörer mit
schwäbelnden Sätzen wie: „Woischd
Karle, du sollschd emol e Seitenbacher Müsli esse. (…) Na hädschd auch net
immer die Probleme mit deiner Verdauung.“ Der beratungsresistente Inhaber, ein gewisser
Willi Pfannenschwarz, spricht und produziert die Spots höchst selbst.
Der Peinigung des Hörers durch Radio-Werbung sind keinerlei
Grenzen gesetzt. Fragt sich, warum dem GEZ-zahlenden Radiohörer zumindest im
öffentlich-rechtlichen Rundfunk dieser Irrsinn nicht erspart bleibt. Radio
ist ein rein akustisches Medium. Um-, ab-, oder leise schalten nützt da wenig:
ohne Ton macht Radio keinen Sinn. Also wird man den Schwachsinn bis auf
weiteres wohl ertragen müssen.
Wer hören will, muss leiden. In diesem Sinne: „Lecker,
lecker, lecker“!
Und weil’s so schön war, hier die schönsten Spots zum
Nachhören:
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