Freitag, 29. August 2014

Eine Partei verschwindet

Eine Partei verschwindet
Die FDP könnte schon sehr bald endgültig von der Bildfläche verschwinden

Nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Deutschen Bundestag vor knapp einem Jahr sind die Liberalen fast völlig aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Dort, wo die FDP über Jahrzehnte hinweg die politische Agenda mitbestimmte, haben es sich die Nachfolger von Union und SPD in der „Groko“ gemütlich gemacht. Die FDP dagegen ist in Berlin zur außerparlamentarischen Opposition geschrumpft.


Am Sonntag wird nun ein neuer sächsischer Landtag gewählt; zwei Wochen später finden Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen statt. Die FDP verteidigt in Sachsen die letzte schwarz-gelbe Regierungsbeteiligung, die für lange Zeit das gängigste Koalitions-modell in Deutschland war. Wird schwarz-gelb damit endgültig zum politischen Auslaufmodell, das bald nur noch im Museum zu besichtigen ist?

Sachsen könnte der Auftakt zu einem weiteren Niedergang sein, der in Thüringen und Brandenburg seine Fortsetzung findet. Die Umfragen in allen drei Ländern sind schlecht, die FDP-Bundesspitze um Parteichef Christian Lindner hat intern alle drei Wahlen bereits abgeschrieben. Auch wenn die FDP gegenwärtig in immer noch neun von sechzehn Landtagen vertreten ist - es wird zunehmend eng für die Partei.

Eine Partei, die nicht mehr dem Bundestag angehört und dadurch weitgehend aus der öffentlichen Berichterstattung von TV-, Print- und Online-Medien verschwunden ist, dringt nicht mehr durch. Die Mehrheit der Wähler ist heutzutage fast ausschließlich über die Massenmedien zu erreichen; wenn die Medienpräsenz einer Partei gegen Null tendiert, kann sie ihre politischen Inhalte nicht mehr platzieren.

Zwar erregt die FDP in Thüringen und Brandenburg derzeit mit Plakaten für Aufsehen, die mit teilweise lustigen Slogans wie „Keine Sau braucht die FDP“ versehen sind. Auch wenn die Ergänzung mit dem Motto „Jeder Brandenburger braucht die FDP“ auf dem Fuße folgte, die Rückkehr zum selbstironischen Spaßwahlkampf  wird das politische Überleben der Liberalen kaum sichern können.

FDP-Wahlplakat: Bald auch verschwunden?

Zumal die FDP von den Bundesbürgern derzeit kaum vermisst wird. In dem vor Kurzem veröffentlichten ZDF-Politbarometer gaben 55 Prozent der Befragten an, dass die FDP nicht mehr gebraucht werde; nur 38 Prozent der Bürger halten die Liberalen nach wie vor wichtig für die Parteienlandschaft. Von der FDP enttäuschte Anhänger liefen zuletzt in Scharen zur Alternative für Deutschland (Afd) über.

Wird die FDP über kurz oder lang damit endgültig von der Bildfläche verschwinden? Nun ist das mit dem „Verschwinden“ ja so eine Sache: Man schrumpft, wird kleiner und kleiner bis irgendwann so rein gar nichts mehr von der ursprünglichen Größe übrig ist. Gegenwärtig beschreitet die FDP genau diesen Weg. Noch hat sie allerdings die Möglichkeit, den Sturz in das endgültige politische Nirwana abzuwenden.

Ob ihr der Turnaround gelingt, wird sich am Sonntag zeigen. Ganz nebenbei wird sich herausstellen, mit welchem künftigen Partner CDU-Ministerpräsident Tillich in Sachsen regieren will. Zur Auswahl stehen dann vermutlich SPD, Grüne oder gar die AfD. Die FDP wird es voraussichtlich nicht sein: nach dem einstigen „Projekt 18“ hat sie sich gegenwärtig ganz und gar dem „Projekt Verschwinden“ verschrieben.

Montag, 25. August 2014

Willkommen im Kiez!

Willkommen im Kiez!
Was macht Berlin zur vielleicht aufregendsten Metropole unserer Zeit?

Berlin ist ein Magnet. Tausende, vorwiegend junge Menschen zieht es Jahr für Jahr in die deutsche Hauptstadt. Gegenwärtig wächst Berlin im Jahr um etwa 40.000 Menschen. Zuletzt standen rund 160.000 Zuzügen nur 120.000 Abwanderungen entgegen: Ein beeindruckender Wert, den keine andere europäische Kapitale derzeit erreicht. Berlin wächst und wächst - und kein Ende ist in Sicht!

Was aber bewegt all die Neu-Berliner die vertraute Sicherheit ihres angestammten Terrains in der alten Heimat gegen die zuweilen unstete Existenz einer pulsierenden Metropole einzutauschen? Berlin ist Sehnsuchtsort und Schmelztiegel aller Glückssuchenden: Die hippste und vielleicht coolste Stadt der Welt lockt Menschen aus den verschiedensten Ländern und Kulturen mit einem fulminanten Versprechen.

Es ist das Versprechen nach einer geradezu universellen Freiheit, das sich das weltoffene und tolerante Berlin auf die Fahnen geschrieben hat. Nicht ohne Grund: In Berlin zementierte die Mauer die deutsche Teilung und wurde damit zum weltweiten Inbegriff von Unfreiheit und Diktatur im Zuge der totalitären SED-Herrschaft. Freiheit scheint daher die Quintessenz dieser so geschichtsträchtigen Stadt zu sein.

Berlin, das ist neben der Freiheit der unterschiedlichsten Lebensstile wohl vor allem die Verheißung nach urbanen Abenteuern, exzessiven Partys und einem contemporary way of life am Puls der Zeit. Eingerahmt wird dieser Lifestyle von einer schicken Architektur in quirligen Stadtteilen mit hoher Lebensqualität, einem breiten kulturellen Angebot sowie lebenshungrigen Menschen aus aller Herren Länder.  

Hotspot Eberswalder Straße: Mehr Berlin geht nicht

Nach Berlin zu gehen entstammt nicht zuletzt dem Wunsch der deutschen Provinz zu entfliehen. Das augenzwinkernde Pathos der Publizistin Juleska Vonhagen bringt es auf den Punkt: „Jawohl, nach Berlin gehen. Nach Karlsruhe zieht man um, aber nach Berlin geht man. Feierlich. Nach Berlin gehen ist Synonym für den Aufbruch in eine neue Welt, für den Aufstieg von der Kreisliga in die Champions League.“

Die verbreitete Berlin-Sehnsucht wird natürlich nicht von allen Zeitgenossen geteilt. So konnte die Band „Kraftklub“ aus Chemnitz 2011 einen Hit landen mit dem Song „Ich will nicht nach Berlin“. Kraftklub karikieren darin treffend den Berlin-Hype der vergangenen Jahre, indem sie sich über die jutebeutel-tragenden Hipster aus Friedrichshain lustig machen, die alle irgendwie „so’n Projekt“ am Start haben.

Berlin ist angesagt, belegt in einem ganz speziellen, internationalen Städte-Ranking allerdings nur den 34. Platz: in Punkto Freundlichkeit. Die notorische Schnoddrigkeit der berühmten Berliner Schnauze lässt grüßen! Eine Erfahrung, die auch das jüngst nach Berlin umgezogene Glossarium machen durfte. An den zuweilen rüden Umgangston der ansonsten herzlichen Ureinwohner wird man sich indes gewöhnen.

Aber nicht alle die nach Berlin kommen bleiben. So wie die rund 11 Millionen Touristen im Jahr. Das touristische Berlin boomt und hat längst Städte wie Rom, Wien oder Madrid auf die Plätze verwiesen. Tendenz stark steigend, was nicht zuletzt daran liegt, dass sich in Berlin immer noch vergleichsweise billig leben lässt, auch wenn Kosten für Übernachtungen und Mieten zuletzt stark angezogen haben. 

Für alle Touristen und Neu-Berliner heißt es aber nun erst einmal: Willkommen im Kiez!