Wenn der Shitstorm
aufzieht
Was tun, wenn der
virtuelle Mob die Social-Media-Kanäle kapert?
Alle Jahre wieder. Nein, nicht nur zur Weihnachtszeit. Der
Shitstorm ist kein jährlich wiederkehrendes Fest, sondern traurige Realität einer
aus den Fugen geratenen Netzkultur. Die Social-Media-Kanäle von Firmen und
Prominenten können schnell zur Zielscheibe von Hass, Häme und Drohungen werden.
Zuletzt bekamen das Alice Schwarzer, Markus Lanz und der Fußballer Stefan Kießling
zu spüren.
Der Duden definiert einen Shitstorm als „Sturm der
Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden
Äußerungen einhergeht“. Das ist vergleichsweise harmlos formuliert. Wer einen
Blick in die Kommentarspalten von willkürlich ausgewählten Netzartikeln wagt,
ist erstaunt über den rüden Umgangston und die hämischen Schmähungen, die man
dort vernimmt.
Nun muss man das Phänomen des Shitstorms von der rauen
Kommunikationskultur im Internet trennen, denn nicht jede Beleidigung ist
gleich ein Shitstorm. Eine Gemeinsamkeit beseht jedoch: Erst im Schutze der
Anonymität lassen sich viele User zu wütenden Hasskommentaren hinreißen. Es ist
ja auch so einfach. Die „Steinigung per Tastatur“ ist risikolos in nur wenigen
Augenblicken vollbracht.
http://glossariumblog.blogspot.de/2012/12/im-auge-des-sturms.html
http://glossariumblog.blogspot.de/2012/12/im-auge-des-sturms.html
Frank Plasberg hat mit seiner Talkshow „hart aber fair“ vor
Kurzem darauf reagiert. Plasberg lässt künftig keine anonymen Online-Meinungen
mehr zu, die als Statement in die Sendung einfließen. Auch der Journalist und
Blogger Michael Spreng hat kürzlich angekündigt, in seinem Blog „Sprengsatz“
demnächst keine anonymen Kommentare mehr zuzulassen, um so gegen die „Schwarmfeigheit“
vorzugehen.
Allzu oft hat die Anonymität in den Kommentarspalten zu
verleumderischen und verletzenden Äußerungen geführt. Plasberg wie Spreng
forderten die User auf, „Gesicht zu zeigen“ und mit dem realen Namen ihre
Meinung kund zu tun. Damit lassen sich zwar anonyme Kommentare in Blogs und
Foren ausschließen; Shitstorms und das raue Klima im Netz wird man dadurch aber
nicht verhindern können.
Wohlfeile Appelle an zivilere Umgangsformen im Internet oder
gar ein virtuelles „Vermummungsverbot“ laufen ins Leere. Auf diese Weise wird
man das Internet und seine negativen Begleiterscheinungen kaum zivilisieren
können. Ein Shitstorm gehört wohl zum Internet wie der tödliche Autounfall zum
Straßenverkehr. Mit bestimmten Auswüchsen durch virtuelle Wutbürger wird man wohl
oder übel leben müssen.
Das Internet scheint neben dem Fußballstadion eines der
letzten Refugien zu sein, in denen man ungestraft Dampf ablassen kann.
Unternehmen und Prominente sollten darauf mit einer klugen Krisenstrategie
reagieren. Eine transparente und glaubwürdige Krisenkommunikation muss für den
Fall der Fälle vorliegen. Das eigene Fehlverhalten muss dabei offen
angesprochen, Besserung gelobt werden.
Zukünftig können dadurch neue Chancen für die Rückgewinnung des
verlorenen Vertrauens entstehen. Seiten vorübergehend zu schließen, um der Kritik
dadurch zu umgehen, ist hingegen keine gute Idee. Dieses Verhalten befeuert die
negative Berichterstattung in Blogs, Foren und Zeitungen nur noch. Berechtigte
wie unberechtigte Kritik kann durch den Schneeballeffekt schnell außer
Kontrolle geraten.
Das falsche Krisenmanagement kann sich dann zu einem veritablen Shitstorm auswachsen, der
an die Substanz der öffentlichen Darstellung und Wahrnehmung von Firmen und
Prominenten geht. Bei alledem müssen die Verantwortlichen schnell und umsichtig handeln,
Vertuschung und Ignoranz sind zu vermeiden. Die gute Krisen-kommunikation lässt auch bei Provokationen die
Höflichkeit im Ton nicht vermissen.
Sich vorbeugend
gegen einen Shitstorm zu immunisieren, scheint aber unmöglich. Zu
unkalkulierbar ist das oftmals komplexe Tagesgeschäft, zu unwägbar scheinen die
Gründe, die Privatpersonen und Unternehmen ins Visier der öffentlichen Erregung
bringen. Gleichwohl sollten zumindest Firmen eine Krisenstrategie und ein
Handbuch für den Notfall bereithalten, damit der Shitstorm schnell
vorüberzieht.
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