Dienstag, 18. Juni 2013

Des Kaisers Kehlkopfkrebs


Des Kaisers Kehlkopfkrebs
Der Todestag von Kaiser Friedrich III. und das „Dreikaiserjahr“ jähren sich zum 125. mal

Friedrich III. war eine tragische Figur. Kaum war der Kronprinz nach dem Tod seines Vaters, Kaiser Wilhelm I., am 9. März 1888 auf den deutschen Kaiserthron gelangt, musste er die Regierungsgeschäfte aufgrund einer Krebserkrankung vom Krankenbett aus führen. „Lerne leiden, ohne zu klagen!“ war dabei sein Wahlspruch. Friedrich III. war zeitlebens die Hoffnung des liberalen Bürgertums gewesen.

Das „Dreikaiserjahr“ 1888 ist einer der markanten Wendepunkte der Geschichte der Fragen aufwirft: Hat das Kehlkopfkarzinom des Kaisers eine liberale Entwicklung in Deutschland abgeschnitten? Hätte ohne den frühen Tod Friedrichs III. die deutsche Geschichte einen komplett anderen Verlauf genommen? Wären die Weltpolitik Wilhelms II., das Wettrüsten und der Erste Weltkrieg gar zu verhindern gewesen?

Doch der Reihe nach. Friedrich, 1831 geboren, war von früh auf Anhänger liberaler Ideen - nicht zuletzt aufgrund des Einflusses seiner Frau Victoria, der ältesten Tochter der britischen Königin. In der Phase der Einigungskriege erreichten Nationalismus und Militarismus im Reich eine neue Qualität; gleichzeitig begann die politische Überschätzung Friedrichs als liberalem Hoffnungsträger der Nation.

Spätestens seit dem Sieg über Frankreich 1870/71 galt der Kronprinz in der Heimat als Kriegsheld und wurde zum Generalfeldmarschall ernannt. Sein Vater befand sich bereits im Pensionsalter, als er - mit 73 Jahren - am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Schlosses zu Versailles zum Deutschen Kaiser proklamiert wurde. Fortan befand sich der „Fritz“ genannte, beliebte Kronprinz im Wartestand.

Friedrich III. (1831-1888)


Friedrich opponierte zwar gelegentlich gegen die Innenpolitik des übermächtigen Reichskanzlers Otto von Bismarck, wandte sich aber nie offen gegen das Regime des eigenen Vaters. Die lange Zeit als Kronprinz schien den Thronfolger aber zunehmend zu zermürben: zur Untätigkeit verurteilt, litt der Monarch an Depressionen. Seine politischen Ideen blieben konturlos und diffus. 

Im November 1887 wurde bei Friedrich Kehlkopfkrebs diagnostiziert; seit einem Luftröhrenschnitt hatte der Thronfolger keine Stimme mehr. Nach dem Tod Wilhelms I. bestieg ein stummer und sterbenskranker Monarch den deutschen Kaiserthron. Kaum 99 Tage im Amt folgte Friedrich III. seinem Vater im Juni 1888 in den Tod - zu krank, um nennenswerte politische Spuren hinterlassen zu können.

So blieb seine Regentschaft eine Phase des Übergangs. Hätte die deutsche Geschichte tatsächlich eine Alternative gehabt, wenn Friedrich eine längere Lebenszeit vergönnt gewesen wäre? Für den Historiker Heinrich August Winkler ist diese Frage ein „bis heute fortwirkender Mythos“. Denn der Monarch dachte nicht wirklich ernsthaft daran die parlamentarische Regierungsweise einzuführen.

Friedrich III. war kaum durchsetzungsfähig und zu entscheidungsschwach, um das Kaiserreich entscheidend zu reformieren. Eine liberale Politik im Innern und eine Verständigung mit England hätten den massiven Widerstand des ostelbischen Establishments entfacht. Die vermeintliche „Lichtgestalt“ - zum Herrschen denkbar ungeeignet - wäre wohl an den Beharrungskräften des Kaiserreiches gescheitert.

Friedrich III. ist der Unvollendete der deutschen Geschichte. Seine Rolle beschränkte sich auf die Verheißung einer unerfüllten liberalen Hoffnung. Sein Nachfolger indes, der großspurige und illiberale Wilhelm II., der seinen Vater mit nur 29 Jahren im Juni 1888 im Amt beerbte, wäre früher oder später wohl sowieso auf den Thron gelangt. Wilhelm II. konnte die Politik des Reiches ganz nach seinen Vorstellungen gestalten.

Er sollte Deutschland zum Verhängnis werden.

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