Des Kaisers Kehlkopfkrebs
Der Todestag von Kaiser Friedrich III.
und das „Dreikaiserjahr“ jähren sich zum 125. mal
Friedrich III. war eine
tragische Figur. Kaum war der Kronprinz nach dem Tod seines Vaters, Kaiser
Wilhelm I., am 9. März 1888 auf den deutschen Kaiserthron gelangt, musste er
die Regierungsgeschäfte aufgrund einer Krebserkrankung vom Krankenbett aus
führen. „Lerne leiden, ohne zu klagen!“ war dabei sein Wahlspruch. Friedrich
III. war zeitlebens die Hoffnung des liberalen Bürgertums gewesen.
Das „Dreikaiserjahr“ 1888 ist
einer der markanten Wendepunkte der Geschichte der Fragen aufwirft: Hat das
Kehlkopfkarzinom des Kaisers eine liberale Entwicklung in Deutschland abgeschnitten?
Hätte ohne den frühen Tod Friedrichs III. die deutsche Geschichte einen
komplett anderen Verlauf genommen? Wären die Weltpolitik Wilhelms II., das
Wettrüsten und der Erste Weltkrieg gar zu verhindern gewesen?
Doch der Reihe nach. Friedrich,
1831 geboren, war von früh auf Anhänger liberaler Ideen - nicht zuletzt
aufgrund des Einflusses seiner Frau Victoria, der ältesten Tochter der
britischen Königin. In der Phase der Einigungskriege erreichten Nationalismus
und Militarismus im Reich eine neue Qualität; gleichzeitig begann die
politische Überschätzung Friedrichs als liberalem Hoffnungsträger der Nation.
Spätestens seit dem Sieg
über Frankreich 1870/71 galt der Kronprinz in der Heimat als Kriegsheld und
wurde zum Generalfeldmarschall ernannt. Sein Vater befand sich bereits im
Pensionsalter, als er - mit 73 Jahren - am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des
Schlosses zu Versailles zum Deutschen Kaiser proklamiert wurde. Fortan befand
sich der „Fritz“ genannte, beliebte Kronprinz im Wartestand.
Friedrich III. (1831-1888) |
Friedrich opponierte zwar gelegentlich
gegen die Innenpolitik des übermächtigen Reichskanzlers Otto von Bismarck,
wandte sich aber nie offen gegen das Regime des eigenen Vaters. Die lange Zeit als
Kronprinz schien den Thronfolger aber zunehmend zu zermürben: zur Untätigkeit
verurteilt, litt der Monarch an Depressionen. Seine politischen Ideen blieben konturlos und diffus.
Im November 1887 wurde bei
Friedrich Kehlkopfkrebs diagnostiziert; seit einem Luftröhrenschnitt hatte der
Thronfolger keine Stimme mehr. Nach dem Tod Wilhelms I. bestieg ein stummer und
sterbenskranker Monarch den deutschen Kaiserthron. Kaum 99 Tage im Amt folgte
Friedrich III. seinem Vater im Juni 1888 in den Tod - zu krank, um nennenswerte
politische Spuren hinterlassen zu können.
So blieb seine Regentschaft
eine Phase des Übergangs. Hätte die deutsche Geschichte tatsächlich eine
Alternative gehabt, wenn Friedrich eine längere Lebenszeit vergönnt gewesen
wäre? Für den Historiker Heinrich August Winkler ist diese Frage ein „bis heute
fortwirkender Mythos“. Denn der Monarch dachte nicht wirklich ernsthaft daran die parlamentarische Regierungsweise einzuführen.
Friedrich III. war kaum
durchsetzungsfähig und zu entscheidungsschwach, um das Kaiserreich entscheidend
zu reformieren. Eine liberale Politik im Innern und eine Verständigung mit
England hätten den massiven Widerstand des ostelbischen Establishments
entfacht. Die vermeintliche „Lichtgestalt“ - zum Herrschen denkbar ungeeignet -
wäre wohl an den Beharrungskräften des Kaiserreiches gescheitert.
Friedrich III. ist der
Unvollendete der deutschen Geschichte. Seine Rolle beschränkte sich auf die
Verheißung einer unerfüllten liberalen Hoffnung. Sein Nachfolger indes, der
großspurige und illiberale Wilhelm II., der seinen Vater mit nur 29 Jahren im Juni 1888 im Amt beerbte, wäre früher oder später wohl sowieso auf den Thron
gelangt. Wilhelm II. konnte die Politik des Reiches ganz nach seinen
Vorstellungen gestalten.
Er sollte Deutschland zum
Verhängnis werden.
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