Das süße Gift der
Analogie
Warum der unselige
Hitler-Russland-Vergleich historisch unangemessen ist
Eigentlich war der Hitler-Russland-Vergleich Wolfgang
Schäubles ja schon so gut wie aus der Welt. Doch nun legte der hessische
Ministerpräsident Volker Bouffier nach und stützte die Aussagen des
Bundesfinanzministers. Gegenüber der Welt
erklärte Bouffier am vergangenen Freitag: „Wer einigermaßen die Dinge
kennt, kann ernsthaft nicht bestreiten, dass es sich um ähnliche Muster handelt“.
Ende März hatte Schäuble in einem Gespräch mit Berliner
Schülern Parallelen zwischen der Krim-Politik des russischen Präsidenten Putin
und der Sudentenkrise aus dem Jahr 1938 gezogen. Wörtlich sagte Schäuble: „Das
kennen wir alles aus der Geschichte. Solche Methoden hat schon der Hitler im
Sudetenland übernommen - und vieles andere mehr.“ Der unselige
Hitler-Russland-Vergleich war in der Welt.
Schäubles historische Analogie hatte zu heftiger Kritik im
In- und Ausland geführt und diplomatische Verwicklungen nach sich gezogen. So
hatte sich der russische Außenminister Lawrow beim deutschen Botschafter in
Moskau über Schäuble beschwert; deutsche Diplomaten, die den Gesprächsfaden mit
Russland derzeit aufrechterhalten, sprachen von einer erheblichen Belastung des
Gesprächsklimas.
Schäuble hatte Hitler und Putin zwar nicht direkt
miteinander verglichen; er hatte jedoch eine historische Analogie in den
Methoden der Politiker erkannt. Hitler hatte die sudetendeutsche Minderheit 1938 instrumentalisiert, um aggressiv gegen die Tschechoslowakei vorgehen zu können; dasselbe
Muster lasse sich nun in der Ukraine bei Putins Einsatz für die russische
Minderheit auf der Krim beobachten.
Wie deplatziert die historische Analogie Schäubles ist wird
deutlich, wenn man sich die unterschiedlichen Intentionen der beiden Politiker
vor Augen führt. Hitler hatte die Sudetenkrise vom Zaun gebrochen, um einen
Grund für den lange geplanten Vernichtungskrieg zur Eroberung von „Lebensraum
im Osten“ zu erhalten. Die Aggression gegen die Tschechoslowakei sollte der
Auftakt zum Zweiten Weltkrieg sein.
Wladimir Putin
ist aber Lichtjahre von einem irrationalen und größenwahnsinnigen Massenmörder
wie Hitler entfernt. Zudem darf nicht vergessen werden, dass die Sowjetunion
über 25 Millionen Tote im von Hitler entfesselten Krieg zu beklagen hatte.
Putin selbst stammt aus Leningrad, jener Stadt, in der durch die deutsche
Belagerung über eine Millionen Menschen starben - darunter Putins großer
Bruder.
Der russische Präsident hat den Zerfall der Sowjetunion im
Jahr 1991 einmal als die „geopolitisch größte Katastrophe des
20. Jahrhunderts“ bezeichnet. Den verlorenen Einfluss der früheren Supermacht
auf der Krim, die jahrhundertelang zum russischen Staatsgebiet gehörte,
versucht Putin nun durch eine Annexion der Halbinsel rückgängig zu machen;
Putin forciert somit eine kühl kalkulierte Revisionspolitik.
Wie gesagt, Schäuble hat Hitler und Putin nicht direkt miteinander verglichen; aber schon der Vergleich vermeintlich ähnlicher Methoden reduziert sich infolge medialer Verkürzungsmechanismen auf die nachgerade absurde Hitler-Putin-Analogie. Der gewiefte Medienprofi Schäuble hätte das wissen müssen. Vom süßen Gift der historischen Analogie sollten Politiker daher in Zukunft Abstand nehmen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen