„Wer unsere Grenze
nicht respektiert, bekommt die Schusswaffe zu spüren“
Vor 25 Jahren hob die
DDR den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze auf
In einem Menschenleben sind 25 Jahre gemeinhin eine lange
Zeit. Die Zeitläufte der Geschichte lenken ihre Bahnen freilich in größeren
Zyklen - aus der Perspektive der Geschichtsschreibung sind 25 Jahre eine eher
kurze Zeitspanne. Vor diesem Hintergrund mag man es kaum glauben, dass noch vor
einem Vierteljahrhundert zwei deutsche Staaten in „friedlicher Koexistenz“
nebeneinander bestanden.
Zwei deutsche Staaten, die durch Mauer, Stacheldraht und
Todesstreifen voneinander getrennt waren. Aus heutiger Sicht erscheint einem
diese historische Tatsache fast schon unwirklich, zu sehr hat man sich an das
wiedervereinigte Deutschland mittlerweile gewöhnt. Noch viel weniger wahr
erscheint heute der Schießbefehl an der deutsch-deutschen Grenze, der jedoch harte
Realität war.
Bereits 1952 wurde die innerdeutsche Grenze abgeriegelt, um
die massenhafte Abwanderung der Bevölkerung in die wirtschaftlich attraktivere
Bundesrepublik zu unterbinden. Am 13. August 1961 schloss die DDR auch das
letzte offizielle Schlupfloch in den Westen: nach der Abriegelung der
Sektorengrenze und dem Bau der Berliner Mauer erfolgte der massive Ausbau der
Grenzanlagen in der DDR.
Der Eiserne Vorhang wurde mit Elektrozäunen, Stacheldraht,
Betonmauern, Zäunen, Wachtürmen, Minenfeldern und Selbstschussanlagen
zementiert. Mit dem Grenzregime und der Errichtung eines Sperrgebietes zwischen
Ost und West sollten „illegale Grenzübertritte“ auch durch den Einsatz von
Schusswaffen verhindert werden. Die Überwindung des „antikapitalistischen
Schutzwalls“ sollte tödlich enden.
Der Schießbefehl: Staatsterror im Zeichen von Hammer und Zirkel |
Einen offiziellen schriftlichen Schießbefehl gab es zwar
nicht, aber es existierten geheime Dienstvorschriften, die den Einsatz von
Schusswaffen der Grenztruppen der DDR regelten. Zudem wurden die Grenzer
mündlich auf den Gebrauch von Schusswaffen bei „Republikflucht“ eingeschworen.
„Wer unsere Grenze nicht respektiert, bekommt die Schusswaffe zu spüren“ so DDR-Verteidigungsminister
Heinz Hoffmann.
Durch die innerdeutsche Grenze wurde ein ganzes Volk für ein
gewaltiges, sozialistisches Experiment in Geiselhaft genommen und eingesperrt.
Der heutige Bundespräsident und frühere Bürgerrechtler Joachim Gauck hat dafür
den treffenden Begriff der „Staatsinsassen“ geprägt. Diese „Staatsinsassen“ wurden
letztlich gewaltsam daran gehindert ihr Land als freie Bürger zu verlassen.
Die Bilanz des DDR-Grenzregimes ist auch heute noch
erschütternd: Mehr als 1000 Menschen kamen bei Fluchtversuchen an der
innerdeutschen Grenze ums Leben, viele davon wurden erschossen, andere
ertranken in Elbe, Spree oder Ostsee. Allein an der Berliner Mauer wurden 136
Menschen bei ihrem Fluchtversuch in die Freiheit getötet. Erst im April 1989
wurde der Schießbefehl aufgehoben.
Nach der Unterzeichnung des Wiener KSZE-Abkommens im Januar
1989 geriet die DDR durch den Schießbefehl unter starken internationalen Druck.
Auch im von Glasnost und Perestroika geprägten Moskau fürchtete man bei
weiteren Mauertoten um Ansehen und internationales Prestige. Am 3. April 1989 hob
die DDR den Schießbefehl schließlich auf dessen Existenz offiziell bis zuletzt
geleugnet wurde.
Die Aufhebung des Schießbefehls war ein Mosaikstein auf dem
Weg zur deutschen Einheit: Nur sieben Monate später, am 9. November 1989, fiel
die Mauer.
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