Samstag, 4. Januar 2014

Tatöd aus Tutzing

Tatöd aus Tutzing
30 Jahre Privatfernsehen und Krimis ohne Ende: Das TV ist derzeit nicht gerade in Bestform

Soviel gestorben wurde im deutschen Fernsehen noch nie: Über Weihnachten und in den Tagen zwischen den Jahren wurde gemordet, gekillt und gekidnappt als gäbe es kein Morgen mehr - von Weihnachtsfriede keine Spur. Ein Krimiformat reihte sich ans nächste, der Zuschauer will schließlich thematisch bei Laune gehalten werden! Zwischen öffentlich-rechtlichen und Privatsendern gibt es kaum noch Unterschiede.

Der Krimi ist das Nonplusultra der deutschen Fernsehunterhaltung, die „heilige Kuh“, die gehätschelt und gepflegt wird wie nur irgendwas. Miese Drehbücher, schnell durchschaubare Plots und austauschbare Ermittlerteams haben die inflationären Krimiformate indes zu einer konfektionierten, aber beim Zuschauer gleichwohl beliebten Massenware werden lassen: Den Klassiker „Soko“ gibt es gleich acht mal!

Der Fernsehkrimi galt einmal als das Hochamt der TV-Unterhaltung, das die die Nation nur allzu bereitwillig schaute. Selbst der „Tatort“, einst das Flaggschiff der ARD-Abendunterhaltung, wäre derzeit besser mit dem Titel „Tatöd“ (Süddeutsche Zeitung) versehen: Die unzähligen Ermittlerteams lösen ihre langatmigen Fälle mittlerweile selbst in Provinzstädten wie Konstanz und Weimar. Wann endlich ist Tutzing an der Reihe?

Dass man im Fernsehen keine Geschichte mehr ohne Leiche erzählen kann gilt inzwischen als ausgemacht. Dass es dergleichen immer mehr werden, ist allerdings neu. Achten Sie einmal darauf: Sie erkennen einen schlappen TV-Krimi immer daran, dass nach einer Sendestunde eine weitere Leiche nachgeliefert wird, welche die dramatur-
gischen Schwächen übertünchen sollen - ein Toter pro Fall genügt eben nicht mehr. 

Dabei gibt es sie ja, die guten Formate, die anspruchsvollen Programme, die intelligent erzählten Stoffe mit Witz, Niveau und Spannung. Nur eben nicht in den großen Sendern zur Prime Time, sondern abgeschoben ins Nachtprogramm bzw. gut versteckt: in den Dritten Programmen oder in einem der unzähligen Spartenkanäle des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wie 3sat, Arte, ZDFneo oder EinsFestival.

ARD und ZDF hätten es als gebührenfinanzierte Sender gar nicht nötig, sich dem Quotendruck und einer Niveauangleichung an das Privatfernsehen zu unterziehen. Gerade weil eine staatliche Zwangsabgabe ihren Fortbestand sichert, sollten die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ihre Programmgestaltung auch als Bildungsauftrag begreifen und vor allem auf Qualität und Originalität setzen.

Qualitätsfernsehen wie die prämierten Doku-Dramen oder das TV-Highlight „Unsere Mütter, unsere Väter“ gibt es zwar - nur leider viel zu selten. Den Privatsendern wird man diesen Vorwurf kaum machen können: Sie müssen mit ihren werbefinanzierten Programmen Geld verdienen und senden daher das, was ankommt. Das ist zwar meistens Müll, entspricht aber offenbar den Sehgewohnheiten des gewöhnlichen TV-Zuschauers.

Aber so ist das halt mit dem Fernsehen. Jeder schaut, was ihm gefällt: die Klugen werden dabei klüger und die Dummen dümmer. Im Privatfernsehen entstanden in den letzten 30 Jahren intelligenzfreie Zonen mit asozialen Talkrunden, debilen Spielshows und grotesken Scripted-Reality-Formaten. EU-Kommissar Günther Oettinger brandmarkte das Privat-TV einmal pointiert als „Scheißfernsehen“.

Dass deutsche Fernsehsender kein Händchen für gute Serienunterhaltung haben ist offenkundig. Das Maß aller Dinge kommt immer noch aus den USA: Serienhits wie „Breaking Bad“, „Boardwalk Empire“, „Lost“, „Homeland“ oder „House of Cards“ sind als deutsche Eigenproduktionen derzeit nicht vorstellbar. Immerhin laufen die beiden letztgenannten Serien seit einiger Zeit auf Sat.1, wenn auch mit schwacher Quote.

Zeit also für eine handfeste Publikumsbeschimpfung? Vielleicht. Der Deutsche im Allgemeinen und der Fernsehzuschauer im Besonderen ist seit jeher in den Durchschnitt verliebt - anders wären der anhaltende Erfolg des „Tatort“ und auch die Wiederwahl Angela Merkels nicht zu erklären. Behaglich, beschaulich, langweilig und bieder - man geht eben gern auf Nummer sicher und sieht sich dabei selbst im TV am liebsten.

Der Mikrokosmos der eigenen Durchschnittlichkeit wird uns indes auch 2014 im Fernsehen erhalten bleiben. Garantiert.


1 Kommentar:

  1. Stimmt, die deutsche Fernsehlandschaft kann fast als grauenvoll bezeichnet werden.
    Von daher bleibt die Kiste meist aus. Mich locken nur noch ganz wenige Sendungen vors TV, wie etwa der Weltspiegel.
    Ich stimme dir zu, ich verstehe auch nicht, dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich immer mehr dem Niveau der Privaten angleichen.

    AntwortenLöschen