Tatöd aus Tutzing
30 Jahre
Privatfernsehen und Krimis ohne Ende: Das TV ist derzeit nicht gerade in Bestform
Soviel gestorben wurde im deutschen Fernsehen noch nie: Über
Weihnachten und in den Tagen zwischen den Jahren wurde gemordet, gekillt und
gekidnappt als gäbe es kein Morgen mehr - von Weihnachtsfriede keine Spur. Ein
Krimiformat reihte sich ans nächste, der Zuschauer will schließlich thematisch
bei Laune gehalten werden! Zwischen öffentlich-rechtlichen und Privatsendern
gibt es kaum noch Unterschiede.
Der Krimi ist das Nonplusultra der deutschen
Fernsehunterhaltung, die „heilige Kuh“, die gehätschelt und gepflegt wird wie
nur irgendwas. Miese Drehbücher, schnell durchschaubare Plots und austauschbare
Ermittlerteams haben die inflationären Krimiformate indes zu einer
konfektionierten, aber beim Zuschauer gleichwohl beliebten Massenware werden
lassen: Den Klassiker „Soko“ gibt es gleich acht mal!
Der Fernsehkrimi galt einmal als das Hochamt der
TV-Unterhaltung, das die die Nation nur allzu bereitwillig schaute. Selbst der
„Tatort“, einst das Flaggschiff der ARD-Abendunterhaltung, wäre derzeit besser
mit dem Titel „Tatöd“ (Süddeutsche Zeitung) versehen: Die unzähligen
Ermittlerteams lösen ihre langatmigen Fälle mittlerweile selbst in Provinzstädten
wie Konstanz und Weimar. Wann endlich ist Tutzing an der Reihe?
Dass man im Fernsehen keine Geschichte mehr ohne Leiche
erzählen kann gilt inzwischen als ausgemacht. Dass es dergleichen immer mehr
werden, ist allerdings neu. Achten Sie einmal darauf: Sie erkennen einen
schlappen TV-Krimi immer daran, dass nach einer Sendestunde eine weitere Leiche
nachgeliefert wird, welche die dramatur-
gischen Schwächen übertünchen sollen - ein Toter pro Fall genügt eben nicht mehr.
gischen Schwächen übertünchen sollen - ein Toter pro Fall genügt eben nicht mehr.
Dabei gibt es sie ja, die guten Formate, die anspruchsvollen
Programme, die intelligent erzählten Stoffe mit Witz, Niveau und Spannung. Nur
eben nicht in den großen Sendern zur Prime Time, sondern abgeschoben ins
Nachtprogramm bzw. gut versteckt: in den Dritten Programmen oder in einem der
unzähligen Spartenkanäle des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wie 3sat, Arte, ZDFneo
oder EinsFestival.
ARD und ZDF hätten es als gebührenfinanzierte Sender gar nicht nötig, sich dem Quotendruck und einer Niveauangleichung an das
Privatfernsehen zu unterziehen. Gerade weil eine staatliche Zwangsabgabe ihren
Fortbestand sichert, sollten die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ihre Programmgestaltung auch als Bildungsauftrag begreifen und vor allem auf Qualität
und Originalität setzen.
Qualitätsfernsehen wie die prämierten Doku-Dramen oder das
TV-Highlight „Unsere Mütter, unsere Väter“ gibt es zwar - nur leider viel zu
selten. Den Privatsendern wird man diesen Vorwurf kaum machen können: Sie
müssen mit ihren werbefinanzierten Programmen Geld verdienen und senden daher
das, was ankommt. Das ist zwar meistens Müll, entspricht aber offenbar den
Sehgewohnheiten des gewöhnlichen TV-Zuschauers.
Aber so ist das halt mit dem Fernsehen. Jeder schaut, was
ihm gefällt: die Klugen werden dabei klüger und die Dummen dümmer. Im
Privatfernsehen entstanden in den letzten 30 Jahren intelligenzfreie Zonen mit
asozialen Talkrunden, debilen Spielshows und grotesken
Scripted-Reality-Formaten. EU-Kommissar Günther Oettinger brandmarkte das
Privat-TV einmal pointiert als „Scheißfernsehen“.
Dass deutsche Fernsehsender kein Händchen für gute
Serienunterhaltung haben ist offenkundig. Das Maß aller Dinge kommt immer noch
aus den USA: Serienhits wie „Breaking Bad“, „Boardwalk Empire“, „Lost“,
„Homeland“ oder „House of Cards“ sind als deutsche Eigenproduktionen derzeit
nicht vorstellbar. Immerhin laufen die beiden letztgenannten Serien seit
einiger Zeit auf Sat.1, wenn auch mit schwacher Quote.
Zeit also für eine handfeste Publikumsbeschimpfung?
Vielleicht. Der Deutsche im Allgemeinen und der Fernsehzuschauer im Besonderen
ist seit jeher in den Durchschnitt verliebt - anders wären der anhaltende
Erfolg des „Tatort“ und auch die Wiederwahl Angela Merkels nicht zu erklären.
Behaglich, beschaulich, langweilig und bieder - man geht eben gern auf Nummer
sicher und sieht sich dabei selbst im TV am liebsten.
Der Mikrokosmos der eigenen Durchschnittlichkeit wird uns
indes auch 2014 im Fernsehen erhalten bleiben. Garantiert.
Stimmt, die deutsche Fernsehlandschaft kann fast als grauenvoll bezeichnet werden.
AntwortenLöschenVon daher bleibt die Kiste meist aus. Mich locken nur noch ganz wenige Sendungen vors TV, wie etwa der Weltspiegel.
Ich stimme dir zu, ich verstehe auch nicht, dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich immer mehr dem Niveau der Privaten angleichen.