Schöne neue Welt
Der Drang zur
Selbstoptimierung nimmt immer absurdere Formen an
In dem Radiohead-Song „Fitter Happier“ aus dem Jahr 1997 verkündet
eine Roboterstimme: „Fitter, happier, more producitve, comfortable, not
drinking too much, regular ecercise at the gym (Three days a week) ...“ Schon
vor sechzehn Jahren haben Radiohead einen gesellschaftlichen Trend zur
Selbstoptimierung ausgemacht, der in der Zeit nach der Jahrtausendwende bizarre
Formen angenommen hat.
Selbstverbesserung scheint das Gebot der Stunde zu sein,
wenn man die unzähligen Publikationen
einer Ratgeber-Industrie berücksichtigt, deren Bücher mittlerweile ganze Bibliotheken
füllen. Die Verheißung der Selbstoptimierer ist dabei immer die gleiche:
gesünder leben, effektiver arbeiten, produktiver werden um schließlich
glücklicher zu sein. Selbstoptimierung ist die Maxime des modernen Menschen.
Durch allerlei technischen Schnickschnack, den Computer und
Smartphones mittlerweile anbieten, lassen sich die willigen Jünger der weltweit
operierenden Sekte der Selbstoptimierer zu einem ökonomischeren Lifestyle
animieren. Mithilfe von Internetdiensten, Apps und Kontrollgeräten, die direkt
am Körper angebracht werden, lassen sie sich vollends zu einem neuen, effektiveren
Homo sapiens erziehen.
Befolgt man die Weisheiten der Selbstoptimierungslehre, so
ist jeder Einzelne aufgerufen, sein Leben in die eigene Hand zu nehmen, um es
zu rationalisieren und beständig auf Effizienz und Leistungssteigerung zu
trimmen. Die neue Doktrin passt perfekt in eine Zeit, in der sich der
Sozialstaat sukzessive zurückzieht und die Initiative mehr und mehr einem auf
sich allein gestellten Individuum überlässt.
Und sie entspricht einer auffälligen Entwicklung in der
Wirtschaft: In vielen Betrieben erledigen mittlerweile zwei Leute die Arbeit,
die noch vor wenigen Jahren von fünf Mitarbeitern geleistet wurde; der einzelne
Arbeitnehmer wird unter den Bedingungen einer neoliberalen Arbeitswelt immer
mehr an die Kandare genommen, damit trotz vorhandener, hoher Renditen noch viel
höhere Gewinne eingestrichen werden.
Dabei spricht grundsätzlich überhaupt nichts gegen
selbstverbessernde Maßnahmen, die sich in Fitness-Kursen, Diäten, Weiterbildung
und Wellness manifestieren, denn kein Mensch ist „komplett“ und kann in jedem
Lebensalter etwas dazulernen. Die Selbstoptimierung lässt jedoch all die Alten,
Kranken und Langsamen zurück, die bei der erhöhten Schlagzahl nicht mehr
mitkommen oder bereits ausgebrannt sind.
Die freiwilligen Selbstoptimierer wandeln dabei auf dem schmalen
Grat zwischen Selbstverbesserung und Selbstausbeutung. Überdies ist fraglich,
ob alle Techniken der Selbstoptimierung die Menschen wirklich glücklicher
machen. In dem Song der Band Radiohead heißt es zum Schluss: „Fitter, healthier
and more productive: A pig in a cage on antibiotics.“ Schöne neue Welt.
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