Montag, 16. Dezember 2013

Schöne neue Welt

Schöne neue Welt
Der Drang zur Selbstoptimierung nimmt immer absurdere Formen an

In dem Radiohead-Song „Fitter Happier“ aus dem Jahr 1997 verkündet eine Roboterstimme: „Fitter, happier, more producitve, comfortable, not drinking too much, regular ecercise at the gym (Three days a week) ...“ Schon vor sechzehn Jahren haben Radiohead einen gesellschaftlichen Trend zur Selbstoptimierung ausgemacht, der in der Zeit nach der Jahrtausendwende bizarre Formen angenommen hat.

Selbstverbesserung scheint das Gebot der Stunde zu sein, wenn man die unzähligen  Publikationen einer Ratgeber-Industrie berücksichtigt, deren Bücher mittlerweile ganze Bibliotheken füllen. Die Verheißung der Selbstoptimierer ist dabei immer die gleiche: gesünder leben, effektiver arbeiten, produktiver werden um schließlich glücklicher zu sein. Selbstoptimierung ist die Maxime des modernen Menschen.

Durch allerlei technischen Schnickschnack, den Computer und Smartphones mittlerweile anbieten, lassen sich die willigen Jünger der weltweit operierenden Sekte der Selbstoptimierer zu einem ökonomischeren Lifestyle animieren. Mithilfe von Internetdiensten, Apps und Kontrollgeräten, die direkt am Körper angebracht werden, lassen sie sich vollends zu einem neuen, effektiveren Homo sapiens erziehen.

Befolgt man die Weisheiten der Selbstoptimierungslehre, so ist jeder Einzelne aufgerufen, sein Leben in die eigene Hand zu nehmen, um es zu rationalisieren und beständig auf Effizienz und Leistungssteigerung zu trimmen. Die neue Doktrin passt perfekt in eine Zeit, in der sich der Sozialstaat sukzessive zurückzieht und die Initiative mehr und mehr einem auf sich allein gestellten Individuum überlässt.

Und sie entspricht einer auffälligen Entwicklung in der Wirtschaft: In vielen Betrieben erledigen mittlerweile zwei Leute die Arbeit, die noch vor wenigen Jahren von fünf Mitarbeitern geleistet wurde; der einzelne Arbeitnehmer wird unter den Bedingungen einer neoliberalen Arbeitswelt immer mehr an die Kandare genommen, damit trotz vorhandener, hoher Renditen noch viel höhere Gewinne eingestrichen werden.

Dabei spricht grundsätzlich überhaupt nichts gegen selbstverbessernde Maßnahmen, die sich in Fitness-Kursen, Diäten, Weiterbildung und Wellness manifestieren, denn kein Mensch ist „komplett“ und kann in jedem Lebensalter etwas dazulernen. Die Selbstoptimierung lässt jedoch all die Alten, Kranken und Langsamen zurück, die bei der erhöhten Schlagzahl nicht mehr mitkommen oder bereits ausgebrannt sind.

Die freiwilligen Selbstoptimierer wandeln dabei auf dem schmalen Grat zwischen Selbstverbesserung und Selbstausbeutung. Überdies ist fraglich, ob alle Techniken der Selbstoptimierung die Menschen wirklich glücklicher machen. In dem Song der Band Radiohead heißt es zum Schluss: „Fitter, healthier and more productive: A pig in a cage on antibiotics.“ Schöne neue Welt.


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