Dienstag, 17. September 2013

Wünsch dir was!


Wünsch dir was!
Wahlplakate als Spiegelbilder des Wahlkampfes: Nichts als heiße Luft

Momentan gibt es hier wie dort eine ganz besondere Spezies der Stadtteilverschönerung zu besichtigen: Wahlplakate. Wahlplakate aller Parteien sorgen in diesem Spätsommer dafür, dass sich Verkehrsschilder, Laternenmasten und Stromkästen nicht mehr so einsam fühlen. Der Wahlkampf läuft gerade auf Hochtouren und die Wahlwerbung der Parteien wertet allüberall das Stadtbild auf.

Knapp eine Woche vor der Bundestagswahl habe ich mir im Essener Norden einmal die Wahlplakate der wichtigsten Parteien angesehen. Die Auswahl der Motive erfolgte rein zufällig und ist daher keineswegs repräsentativ. Trotzdem können durch die unter-schiedlichen Plakattypen Rückschlüsse auf die Wahlkampfstrategie und das Werbegebaren der einzelnen Parteien gezogen werden. Aber sehen Sie selbst:

CDU: „Gemeinsam erfolgreich“
Dieses Motiv mit der allseits beliebten Kanzlerin spiegelt die Gute-Laune-Wirtschafswunderrhetorik der Union treffend wider: Ohne erkennbare inhaltliche Aussage werden einfach alle umarmt, umgarnt, eingelullt und zu Siegern erklärt. Das funktioniert immer und kostet nix, denn wer wäre nicht auch gern Teil einer dauer-euphorisierten Erfolgstruppe, die „gemeinsam erfolgreich“ ist? Herrlich nichtssagend.



SPD: „Gleiche Bildungschancen für alle“
Warum nicht gleich „Freibier für alle!“ Aber gut, immerhin deutet die Rhetorik der Sozialdemokraten mit diesem Slogan auf ein zentrales Wahlkampfziel der SPD hin: Chancengleichheit. Weiteren, dürftigen Allgemeinplätzen der Kategorie „Im Alter nicht leer ausgehen“ oder „Zeit für Kinder und Beruf“, die von der SPD plakatiert werden, könnte wohl jeder irgendwie zustimmen. Fazit: Alles andere als inspirierend.



Grüne: „Ich werd mal Energie-Riese. Und Du?“
Oh je, was soll das denn? Die Grünen setzen offenbar ganz auf die Anziehungskraft kindlicher Werbeträger. Das gelingt allerdings kaum, zu platt kommen die kindischen Botschaften daher. Die grüne Position zu den einzelnen Motiven lässt sich immerhin erahnen. Weitere Kostproben dieser Art: „Meine Mudda wird Chef“ oder „Ich sag: Hello Kita“. Geht’s noch banaler? Wann kommt der grüne Baby-Babbel-Sprech auf die Plakate?



Die Linke: „Statt Flaschen sammeln: 1050 Euro Mindestrente!“
Die Linke scheint ganz in den radikaloppositionellen „Wünsch-Dir-was-Kosmos“ abgedriftet; rational sind ihre weltfernen Slogans jedenfalls kaum zu erklären. Immerhin sind die Parolen auf ihren Plakaten ziemlich konkret: „Waffenexporte verbieten! Auslandseinsätze beenden!“ oder „Teilen macht Spaß: Millionär-Steuer!“ Höher, schneller und weiter nannte man das früher beim Sport. In der Disziplin des agitativen Populismus ist die Linke derzeit konkurrenzlos.   



Piraten: „Warum häng ich hier eigentlich? Ihr geht ja eh nicht wählen.“
Versuchen die Piraten hier etwa das namenlose Heer der Nichtwähler für sich zu gewinnen? Leider erfährt man auf diesem Motiv auch nicht, warum man nun ausgerechnet die Piraten wählen soll. Immerhin deuten farbenfrohes Design und eine gelegentliche Prise Humor auf eine gute Agentur hin: „Unrealistische Wahlversprechen? Können wir auch! Für einen Wombat in jedem Haushalt!“ Ganz unterhaltsam.



Ach ja, eine Partei fehlt natürlich noch, die FDP. Die Liberalen kommen im Essener Norden nur leider gar nicht vor: sie waren mit keinem Plakat anzutreffen. Offenbar spart man sich in einem traditionell eher „roten“ Stadtteil den ohnehin erfolglosen Einsatz. Oder sollte dies gar als düsteres Menetekel für ein restloses Verschwinden der Partei auf Bundesebene gedeutet werden können? Man wird sehen.

Fazit: Die meisten Wahlplakate erreichen ein erschütternd banales Niveau. Wunschdenken, Plattitüden, Populismus und unrealistische Wahlversprechen sind bei fast allen Parteien anzutreffen. Nur vereinzelt blitzen echte Wahlkampfaussagen auf. Zugegeben, es ist natürlich nicht ganz einfach, zentrale Inhalte in prägnanter und zugleich intelligenter Form auf Plakate zu bannen. Dennoch hätte ein klein wenig mehr Niveau allen Parteien gut zu Gesicht gestanden.  

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