Wünsch
dir was!
Wahlplakate als Spiegelbilder des Wahlkampfes: Nichts als heiße Luft
Momentan gibt es hier wie dort eine ganz besondere Spezies der Stadtteilverschönerung
zu besichtigen: Wahlplakate. Wahlplakate aller Parteien sorgen in diesem Spätsommer
dafür, dass sich Verkehrsschilder, Laternenmasten und Stromkästen nicht mehr so
einsam fühlen. Der Wahlkampf läuft gerade auf Hochtouren und die Wahlwerbung
der Parteien wertet allüberall das Stadtbild auf.
Knapp eine Woche vor der Bundestagswahl habe ich mir im Essener Norden
einmal die Wahlplakate der wichtigsten Parteien angesehen. Die Auswahl der Motive
erfolgte rein zufällig und ist daher keineswegs repräsentativ. Trotzdem können
durch die unter-schiedlichen Plakattypen Rückschlüsse auf die Wahlkampfstrategie
und das Werbegebaren der einzelnen Parteien gezogen werden. Aber sehen Sie
selbst:
CDU: „Gemeinsam erfolgreich“
Dieses Motiv mit der allseits beliebten Kanzlerin spiegelt die
Gute-Laune-Wirtschafswunderrhetorik der Union treffend wider: Ohne erkennbare
inhaltliche Aussage werden einfach alle umarmt, umgarnt, eingelullt und zu
Siegern erklärt. Das funktioniert immer und kostet nix, denn wer wäre nicht
auch gern Teil einer dauer-euphorisierten Erfolgstruppe, die „gemeinsam
erfolgreich“ ist? Herrlich nichtssagend.
SPD: „Gleiche Bildungschancen für alle“
Warum nicht gleich „Freibier für alle!“ Aber gut, immerhin deutet die
Rhetorik der Sozialdemokraten mit diesem Slogan auf ein zentrales Wahlkampfziel
der SPD hin: Chancengleichheit. Weiteren, dürftigen Allgemeinplätzen der
Kategorie „Im Alter nicht leer ausgehen“ oder „Zeit für Kinder und Beruf“, die
von der SPD plakatiert werden, könnte wohl jeder irgendwie zustimmen. Fazit:
Alles andere als inspirierend.
Grüne: „Ich werd mal Energie-Riese. Und Du?“
Oh je, was soll das denn? Die Grünen setzen offenbar ganz auf die
Anziehungskraft kindlicher Werbeträger. Das gelingt allerdings kaum, zu platt kommen
die kindischen Botschaften daher. Die grüne Position zu den einzelnen Motiven
lässt sich immerhin erahnen. Weitere Kostproben dieser Art: „Meine Mudda wird
Chef“ oder „Ich sag: Hello Kita“. Geht’s noch banaler? Wann kommt der grüne
Baby-Babbel-Sprech auf die Plakate?
Die Linke: „Statt Flaschen sammeln: 1050 Euro
Mindestrente!“
Die Linke scheint ganz in den radikaloppositionellen „Wünsch-Dir-was-Kosmos“
abgedriftet; rational sind ihre weltfernen Slogans jedenfalls kaum zu erklären.
Immerhin sind die Parolen auf ihren Plakaten ziemlich konkret: „Waffenexporte
verbieten! Auslandseinsätze beenden!“ oder „Teilen macht Spaß:
Millionär-Steuer!“ Höher, schneller und weiter nannte man das früher beim Sport.
In der Disziplin des agitativen Populismus ist die Linke derzeit konkurrenzlos.
Piraten: „Warum häng ich hier eigentlich? Ihr geht
ja eh nicht wählen.“
Versuchen die Piraten hier etwa das namenlose Heer der Nichtwähler für
sich zu gewinnen? Leider erfährt man auf diesem Motiv auch nicht, warum man nun
ausgerechnet die Piraten wählen soll. Immerhin deuten farbenfrohes Design und
eine gelegentliche Prise Humor auf eine gute Agentur hin: „Unrealistische
Wahlversprechen? Können wir auch! Für einen Wombat in jedem Haushalt!“ Ganz
unterhaltsam.
Ach ja, eine Partei fehlt natürlich noch, die FDP. Die Liberalen kommen im Essener
Norden nur leider gar nicht vor: sie waren mit keinem Plakat anzutreffen.
Offenbar spart man sich in einem traditionell eher „roten“ Stadtteil den
ohnehin erfolglosen Einsatz. Oder sollte dies gar als düsteres Menetekel für
ein restloses Verschwinden der Partei auf Bundesebene gedeutet werden können? Man
wird sehen.
Fazit: Die meisten Wahlplakate erreichen ein erschütternd banales
Niveau. Wunschdenken, Plattitüden, Populismus und unrealistische Wahlversprechen sind bei fast
allen Parteien anzutreffen. Nur vereinzelt blitzen echte Wahlkampfaussagen auf.
Zugegeben, es ist natürlich nicht ganz einfach, zentrale Inhalte in prägnanter und
zugleich intelligenter Form auf Plakate zu bannen. Dennoch hätte ein klein
wenig mehr Niveau allen Parteien gut zu Gesicht gestanden.
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