FDP - die neue APO
Nach dem Wahldebakel sind die Liberalen Teil der Außerparlamentarischen Opposition
Abstand kann manchmal
sehr nützlich sein. Er verschiebt die Perspektive und hilft die Dinge
einzuordnen und politisch neu zu bewerten. So auch im Fall der FDP. Ein „Fall“,
der dramatischer kaum hätte ausfallen können. Eine Woche nachdem die Liberalen aus
dem Bundestag geflogen sind erscheint das Wahldebakel mehr denn je als eine
tiefe historische Zäsur für den Liberalismus in Deutschland.
Das Ausscheiden der
Liberalen aus dem Parlament erscheint für die Demokratie umso gravierender wenn
man berücksichtigt, dass die Partei seit 1949 ununterbrochen dem Deutschen
Bundestag angehörte. Die FDP hat in wechselnden Koalitionen 46 Jahre lang
regiert - sie war damit insgesamt zwei Jahre länger an der Macht als die
Unionsparteien und damit im besten Sinne „Staatspartei“.
Die Liberalen trugen
insbesondere in der Gründungsphase der Republik zu deren Stabilisierung bei. Aus
ihren Reihen gingen immer wieder große Persönlichkeiten hervor: Thomas Dehler,
Karl-Hermann Flach, Hans-Dietrich Genscher, Burkhard Hirsch oder Hildegard
Hamm-Brücher. Mit Theodor Heuss und Walter Scheel stellte die FDP zwei über
alle Parteigrenzen hinweg respektierte Bundespräsidenten.
Die FDP war in den letzten
Jahrzehnten aber auch die Partei der Möllemanns, Westerwelles, Röslers, Niebels
und Brüderles. Kurzum: Sie war eine Partei, deren politisches Personal nicht
einmal annähernd die Qualität ihrer liberalen Altvorderen erreichte. Und sie
war zuletzt vor allem eine Funktions- und Klientelpartei, deren programmatische
Fragmente die Wähler nicht mehr überzeugten.
Schon früher ist, auch
in diesem Blog, über das Ende des politisch organisierten Liberalismus in
Deutschland spekuliert worden. (Siehe Link) Dass die FDP nun tatsächlich erstmals nicht im
Deutschen Bundestag vertreten ist und sich auf Augenhöhe befindet mit so
kuriosen politischen Gruppierungen wie der Rentnerpartei, der Hundepartei oder
den Violetten ist dabei hoch verdient.
Die Liberalen sind als
politische Kraft fortan in die Außerparlamentarische Opposition verbannt. Die
historische APO trat Mitte der 1960er Jahre auf den Plan als Deutschland
erstmals von einer Großen Koalition regiert wurde. Die APO war der Grundstein der
68er-Bewegung: Sie trat für eine Demokratisierung der Hochschulen ein und
demonstrierte gegen die Notstandsgesetze und den Vietnamkrieg.
Damals war ausgerechnet
die kleine FDP die einzige Oppositionspartei im Bundestag. Die APO war das
Sprachrohr all jener, die keine politische Heimat im Dreiparteiensystem der
Republik fanden. Heute, über 45 Jahre später, hat sich nicht nur das Parteiensystem
durch die Gründung von Grünen und Linken stark verändert. Heute ist die FDP die
neue APO der Berliner Republik.
Immerhin, es gibt
Hoffnung: Auch die westdeutschen Grünen scheiterten 1990 bei der ersten Wahl
zum gesamtdeutschen Bundestag an der Fünfprozenthürde, da sie keine hinreichende
Antwort auf die veränderte Lage der Wiedervereinigung hatten. Sie waren damals lediglich
durch 8 Abgeordnete des Bündnis 90 im Parlament vertreten. Vier Jahr später gelang
den Grünen dann mit 7 Prozent ein Comeback.
„Allem Anfang wohnt ein
Zauber inne“ heißt es im Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse. Der Neuanfang in
der APO ist für die FDP Chance und Risiko zugleich. Die Neuausrichtung der
Liberalen kann über die Länderparlamente gelingen. Für den designierten
Parteichef Christian Lindner könnte sich der vermeintliche Zauber eines
politischen Neuanfangs jedoch schnell als fauler Zauber erweisen.
Denn der
außerparlamentarische Alptraum ist für die FDP zunächst vier Jahre lang bittere Realität.