Donnerstag, 7. März 2013

Merkels Wendemanöver


Merkels Wendemanöver
Der permanente Kurswechsel der Kanzlerin ist ein Wesensmerkmal ihrer Politik

Durch das Kommando „Klar zum Wenden!“ leitet man beim Segeln ein Wendemanöver mit einem grundlegenden Richtungswechsel ein. Kurzzeitig kommt dabei der Wind auch von vorne. Kanzlerin Merkel ist zwar nicht als eifrige Seglerin bekannt; sie ist allerdings Gegenwind gewohnt und verfügt über eine große Erfahrung auf dem Gebiet des politischen Richtungswechsels.

Kaum ein Gebiet war in den letzten Jahren vor der Sprunghaftigkeit der Kanzlerin sicher. Ob Atom-Ausstieg, Abschaffung der Wehrpflicht, dreigliedriges Schulsystem oder zuletzt das Entgegenkommen bei der Homo-Ehe - die Kanzlerin drängte ihre Partei immer wieder zu teilweise drastischen 180-Grad-Wenden und verwässerte dadurch den konservativen Markenkern der CDU immer mehr.

Für ihre letzte Kehrtwende, die steuerliche Angleichung der Homo-Ehe an die bürgerliche Ehe, erntete sie allerdings sowohl aus der Parteibasis als auch aus der eigenen Fraktion massiven Widerstand. Sie wäre mit dieser Reform zwar einem erwarteten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zuvorgekommen, hätte damit aber auch den Parteitagsbeschluss zur Homo-Ehe aus dem Dezember 2012 kassiert.

Soviel Modernität ging wohl den meisten Mitgliedern der CDU entschieden zu weit. Zeit für einen weiteren Rollback der Kanzlerin, die am vergangenen Montag die Wende von der Wende einleitete, um sich nicht offen gegen große Teile ihrer eigenen Anhängerschaft zu stellen. Diese fragte sich angesichts der vergangenen Kehrtwenden was denn überhaupt noch konservativ an der CDU sei?

Merkel hat ihre Partei in den letzten Jahren durch die Aufgabe zahlreicher traditioneller Positionen in die politische Mitte geführt. Es gibt kaum noch ein Thema bei dem sich Regierung und Opposition fundamental voneinander unterscheiden. Die letzte Bastion konservativer Beharrungskräfte - die traditionelle Familien- und Gesellschaftspolitik - wäre zuletzt fast gefallen. Aber eben nur fast.

Die Union hätte mit diesem neuerlichen Modernisierungsschub Rot-Grün ein massives Wahlkampfproblem eigebrockt: Alte Feindbilder gegen eine vermeintlich konservative CDU hätten nicht länger gezogen. Nun kann die Opposition die Union, die in weiten Teilen rückständiger ist als die Mehrheit der Gesellschaft, noch einmal in die reaktionäre Blockade-Ecke stellen.

Der permanente Kurswechsel der Kanzlerin gerät dabei immer mehr zu einem Wesensmerkmal ihrer Politik, der es an Visionen und Perspektiven mangelt; es regiert vielmehr ein nüchterner Pragmatismus. Die Union kann eine unentwegte Wende-Politik vor eine ernste Zerreißprobe stellen. Merkels erneutes Wendemanöver im Streit um die Homo-Ehe hat diesen Konflikt noch einmal kurzfristig beigelegt.

Die Kanzlerin würde vermutlich keine schlechte Figur beim Segeln abgeben - mit Wendemanövern kennt sie sich ja bestens aus.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen