Der neue Tugendterror
Schockfotos auf
Zigarettenpackungen sollen die Menschen vom Rauchen abhalten
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich war immer für den Schutz
von Nichtrauchern in der Öffentlichkeit. Nachdem die meisten Bundesländer
Rauchverbote in Behörden, Schulen, Gaststätten und am Arbeitsplatz erlassen
haben, sind Nichtraucher hierzulande hinreichend vor dem blauen Dunst
geschützt. Doch die EU-Gesundheitsbürokratie schläft nicht und bereitet schon
den nächsten Schlag vor.
Schon bei der Ausweisung von speziellen Raucherzonen auf den
zumeist zugigen Bahnhofsgleisen wurde ich stutzig. Raucher tummeln sich dort weitab
vom nichtrauchendem Rest in mitunter winzigen Raucher-Karrees, um ihrer Sucht nachzugehen.
Das fand ich einerseits albern, andererseits erniedrigend. Zigarettenrauch auf
offenen Bahngleisen sollte doch eigentlich niemanden stören.
Doch darum geht es längst nicht mehr. Es geht um die Raucher
selbst und um deren Umerziehung. Das EU-Parlament hat dazu kürzlich neue
Maßnahmen beschlossen: Ab 2016 sollen Schockfotos von Raucherlungen, schwarzen
Zähnen oder verfaulten Füßen den Großteil einer Zigarettenpackung zieren.
Besonders jugendliche Raucher sollen dadurch vom Griff zur Kippe abgehalten
werden, hieß es aus Brüssel.
Gesundheitsschäden durch Rauchen und Passivrauchen werden
heute von niemandem mehr in Frage gestellt. Allerdings kann auch der übermäßige
Genuss von Alkohol zu Krankheit, Sucht und vorzeitigem Tod
führen. Und selbst das Autofahren, immer noch die verbreitetste Art der
Fortbewegung, führt Jahr für Jahr im EU-Raum zu rund 30.000 Toten und
Hunderttausenden Verletzten.
"Go West": Die harmlose Variante, noch ohne Schockbilder |
Niemand käme aber auf die Idee, den Alkohol gesellschaftlich
zu ächten oder das Autofahren zu verbieten. Warum also nun der neuerliche Feldzug
gegen das Rauchen? Reicht die bisherige Stigmatisierung des Rauchens nicht
schon aus? Und was folgt als nächstes? Spezielle „Verrichtungsboxen“ für
Raucher sind auf internationalen Flughäfen längst Standard, werden diese bald
auf Bahnhöfen aufgestellt?
Das Rauchen galt einmal als der Inbegriff der individuellen
Freiheit, was nicht zuletzt in zahlreichen, mittlerweile verbotenen Werbespots
suggeriert wurde. Ein Kernsatz der bürgerlichen Freiheiten besagt, dass ein
jeder tun und lassen kann was er will - sofern er dabei einem anderen keinen
Schaden zufügt. Nun aber sollen die Raucher ganz offenkundig vor ihrer eigenen
Unvernunft geschützt werden.
An die Stelle von Aufklärung rückt die Bevormundung: ist die
Verteufelung von Tabak der erste Schritt in eine gängelnde Gesundheitsdiktatur?
Droht uns ein neuer Tugendterror, der zuerst das Rauchen und dann das Trinken unter
Strafe stellt? Konsequenterweise müsste Brüssel die Kotflügel von Autos oder die
Etiketten von Weinflaschen mit drastischen Fotos von Unfalltoten und Schnapsleichen
bedrucken.
In Preußen galt das Rauchen einmal als Inbegriff höchster
Geselligkeit. Was hätte wohl Friedrich Wilhelm I., der „Soldatenkönig“, zu
alledem gesagt? In seinem legendären „Tabakskollegium“ wurde bei Bier und Tabak
über Politik und Religion räsoniert. Wahrscheinlich hätte Friedrich erkannt,
dass die EU das Rad überdreht hat, denn Schocktotos werden wohl kaum jemanden
ernsthaft vom Rauchen abhalten.
Sie können allerdings eine neue Spirale staatlich
verordneter Gesundheitsfürsorge vom Zaun brechen, die außer der EU wohl niemand wirklich will.
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