Das linke Dilemma
Der eigentliche Wahlverlierer ist die SPD - sie hat
es nur noch nicht realisiert
Sechs Wochen nach der
Bundestagswahl haben Unionsparteien und Sozialdemokraten nun auch offiziell die
Koalitionsverhandlungen aufgenommen. Vor Beginn des Verhandlungsmarathons
wurden in der SPD Stimmen laut, im Falle einer Koalition mit der Union die
Hälfte der Ministerien für die Sozialdemokraten zu beanspruchen - die Augenhöhe
muss schließlich gewahrt sein.
Es gehört wohl zu den
üblichen parteitaktischen Spielchen, den Preis für das Eingehen einer besonders
bei der SPD-Basis ungeliebten Koalition ordentlich in die Höhe zu treiben. Weniger
wohlgesonnene Beobachter haben den Sozialdemokraten indes Realitätsverlust attestiert
- angesichts einer politischen Marginalisierung der Partei von nur mehr 25,7
Prozent der gültigen Zweitstimmen.
Was in der SPD bislang
niemand recht zur Kenntnis genommen hat: Die Sozialdemokratie hat die Wahl mit
Pauken und Trompeten verloren! Sie ist neben FDP und Grünen der eigentliche
Wahlverlierer. Sechs Wochen nach der
Wahlniederlage weisen nur vereinzelte Stimmen innerhalb der SPD auf diesen Umstand hin. Liegt es
an den läppischen 2,7 Prozent welche die SPD diesmal dazugewonnen hat?
Dass die SPD schon zum
zweiten mal hintereinander bei Wahlen auf die Plätze verwiesen wurde scheint
bei den Genossen allerdings kein großes Thema zu sein. Derzeit kann die Partei, die in
diesem Jahr 150 Jahre alt wurde, allenfalls einen Platz als Juniorpartner in einer
Großen Koalition beanspruchen. Die SPD hat offenbar viel von ihrer früheren
Strahlkraft eingebüßt. Schlimmer noch: Sie ist keine Arbeiterpartei mehr.
Die strukturelle Schwäche
der SPD hat viel mit der Auflösung traditioneller Milieus zu tun: eine Arbeiterschaft,
die aus Prinzip rot wählt, gibt es nicht mehr. Die ökonomisch notwendigen
Reformen der Agenda 2010 haben zusätzlich zur Erosion der deutschen
Sozialdemokratie beigetragen. Für die „Kleinen Leute“, die früheren Stammwähler
der Partei, hat die SPD mit den Hartz-Reformen ihre politische Seele verkauft.
Die SPD könnte zwar auf ein
Linksbündnis mit Grünen und Linken setzen; diese Machtoption ist
gegenwärtig aber nicht sonderlich wahrscheinlich, stellt sie doch das eigentliche
Problem der Sozialdemokratie in den letzten 30 Jahren dar. Die Spaltung der politischen
Linken in Deutschland hat dazu geführt, dass sich inzwischen drei vermeintlich linke
Parteien gegenseitig die Wähler abspenstig machen.
Dabei sind Grüne und
Linkspartei letztlich Fleisch vom Fleische der SPD. Besonders die Linke steht mit
ihren ideologischen Unwägbarkeiten einem Bündnis mit der SPD derzeit noch im
Weg. Eine linke Mehrheit wäre unter Umständen zwar da, sie lässt sich aber
politisch nicht nutzen - welch ein Dilemma! Der SPD fehlt derzeit ein
Masterplan, der die Möglichkeiten für die Rückkehr zur Macht realistisch
auslotet.
Das linke Dilemma könnte indes
dazu führen, dass der SPD auf absehbare Zeit nur die Rolle als politischer Mehrheitsbeschaffer
der Union bleibt.
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