Quo vadis, Harald
Schmidt?
Der begnadete Entertainer
erzielt auf Sky derzeit Einschaltquoten von 0,0 Prozent
März 1999: Oskar Lafontaine war soeben von allen Ämtern
zurückgetreten und gab einige Tage darauf vor seinem Haus in Saarbrücken einer
Pressemeute ein erstes Interview – mit Sohn Carl-Maurice auf den Schultern, von
dem allerdings zumeist nur die Beine zu sehen waren. Soweit, so schlimm. Was
folgte war einer der vielleicht genialsten Auftritte im deutschen Fernsehen.
Denn Harald Schmidt moderierte einige Tage später eine ganze Sendung im Stile
Lafontaines: mit einem um den Hals geschlungenen Huckepack-Unterleib vom Typ
„Carl-Maurice“. Großartig.
Schmidt, der seine TV-Karriere mit Sendungen wie „Maz ab!“, „Pssst“
und „Verstehen Sie Spaß?“ begonnen hatte, war der erste Moderator, der mit der „Harald-Schmidt-Show“
das Late-Night-Format im deutschen Fernsehen fest etablierte. Nach seinem
Wechsel von der ARD zu Sat.1 im vergangenen Jahr wurde er dort im Frühjahr wegen
schlechter Quoten geschasst, um fortan seine Sendung exklusiv für den
Pay-TV-Sender Sky zu produzieren. Auf Sky erreichte seine Sendung zuletzt nur
wenige Tausend Zuschauer: Der Marktanteil lag bei kaum messbaren 0,0 Prozent!
Welch ein Abstieg aus dem Olymp der Fernsehunterhaltung –
nach zwanzig Jahren ununterbrochener Marktführerschaft im TV-Segment des
schwarzen Humors. Dabei war es der geniale Parodist Schmidt, der das Genre nicht
selten an seine absurden Grenzen geführt hatte. So moderierte Schmidt einmal eine
ganze Show mit dem Rücken zum Publikum und bestritt eine andere Sendung
komplett in französischer Sprache. Unvergessen bleibt auch das Interview mit der
„Schauspielerin“ Jessica Stockmann, die entnervt die Sendung verließ, nachdem
Schmidt sie wiederholt und ausschließlich auf ihren damaligen Ehemann Michael
Stich angesprochen hatte.
Wer außer Schmidt hätte ungestraft als Adolf Hitler
verkleidet in Uniform - und somit ganz
Bruno Ganz - vor dem Wiedererstarken des Nationalsozialismus mit den Worten
„Wehrrret den Anfängen! Ich weiß, wovon ich rrrede!“ warnen können? Wer sonst
außer Schmidt hätte die quasi-intellektuelle „Playmobil-Literaturwerkstatt“ aus
der Taufe heben können, in der kammerspielartig Ereignisse aus Geschichte und Weltliteratur
auf höchstem Niveau abgehandelt wurden? Und wer sonst außer Schmidt hätte sich all
die anderen Fernseheskapaden leisten dürfen, die einen wohldosierten
Kontrapunkt zum verhassten „Unterschichtenfernsehen“ darstellten?
Ein Harald Schmidt in Hochform war in den vergangenen Jahren
allerdings immer seltener auszumachen: Schmidt und das Late-Night-Format haben sich
zusehends totgelaufen – zu durchschnittlich, zu lustlos präsentierte sich der
große Satiriker allzu oft. Im Laufe der Zeit schwand sein Nimbus und man hatte
nicht mehr das Gefühl etwas verpasst zu haben, wenn man Schmidt einmal verpasst
hatte. Zuletzt war dem Lästermaul offenkundig die subversive Kreativität abhandengekommen,
die ihn einst zum Liebling des Feuilletons hat werden lassen; der allmähliche Bedeutungsverlust
Schmidts war kaum zu übersehen.
Schmidts genialer Sinn für Nonsens, seine berüchtigte
Spontaneität sowie seine konsequente Absage an jedwede Form der political
correctness haben „Dirty Harry“ zum Erzieher meiner Generation gemacht. Schmidts
großes Verdienst besteht vor allem darin, Ironie und Sarkasmus im bräsigen
TV-Einerlei eine Stimme gegeben zu haben. Den Wechsel zum Bezahlsender Sky
kommentierte Schmidt zuletzt wie folgt: „Ich bin wie Griechenland! Wenn ihr dieses wertvolle
kulturelle Erbe retten wollt, müsst ihr zahlen!“ Mal sehen, wie viele
Schmidt-Fans diesem Aufruf Folge leisten.
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