Ich poste, also bin
ich
Kritische Anmerkungen
zu einem Facebook-Phänomen
Ich gebe es zu. Ja, ich gestehe: Auch ich besitze
mittlerweile ein persönliches Facebook-Profil und bin damit Teil des größten
sozialen Netzwerkes der Welt. Und auch ich habe dort schon mal Unsinn und
Belanglosigkeiten gepostet. Was dort in der Rubrik „Statusmeldungen“ zuweilen von dem einen oder
anderen Zeitgenossen so alles veröffentlicht wird, übersteigt jedoch meine
individuelle Banalitässchmerzgrenze um ein Vielfaches.
„Sitze grade im Biergarten und trinke ein leckeres Weizen!“ „Mir
doch egal“, möchte man dazwischenrufen. „Unterwegs nach Dortmund, hui – ist das
kalt heut!“ „Zieh dir was über,“ denkt man „oder bleib zuhause.“ „Treffe mich
gleich mit Meike zum Shopping in der Stadt!“ „Vergiss die Gold Card von Vatti
nicht“ entgegne ich im Geiste. Okay, die Statusmeldung bei Facebook ist dafür
eingerichtet, dass man das, was man gerade tut, den anderen in Form eines Posts mehr oder weniger öffentlich
mitteilt.
Aber wen interessieren all die banalen, digitalen
Wasserstandsmeldungen, welche die wirklich originellen und witzigen Posts in
einem Meer ermüdender Geschwätzigkeit eiskalt ertränken? Offenkundig ist kaum
eine Handlung zu banal, um nicht als Statusmeldung und Teil der
Facebook-Chronik eine quasi-posthume und damit ewige Würdigung zu erlangen. So
manch ein Post auf Facebook kommt einem denn auch wie der virtuelle Tag eines Sprayers vor, der, einem Köter
gleich, die Hauswand markiert um sein Revier abzugrenzen.
Offenkundig entspricht der weitverbreitete, permanente
Drang, das aktuelle Treiben und Tun zu veröffentlichen, einem gesellschaftlichen
Grundbedürfnis nach Aufmerksamkeit sowie einem frühkindlichen Wunsch nach
Anteilnahme. Wenn alles und jedes, ohne Filter gepostet und zum Ereignis in
Echtzeit hochgepusht wird, erstarrt das Posten selbst zum ritualisierten Pseudoereignis
und leeren Event. Die Banalisierung des Alltags gleicht dabei nicht selten einer
inhaltslosen Dampfplauderei.
Der ständige Zwang wahrgenommen zu werden wird dabei durch
die modernen Smartphones begünstigt. Auch der allergrößte Unsinn kann mit einem
internetfähigen Handy in Echtzeit von unterwegs freigesetzt werden. Das gilt
insbesondere für die vielfach noch banaleren, weil kürzeren Tweets via Twitter. Das Bedürfnis,
kontinuierlich virtuelle Lebenszeichen abzusondern, entspricht offenkundig der
Angst, für tot gehalten zu werden, sobald nicht permanent eine aktuelle
Statusmeldung rausgehauen wird.
Aus dieser Perspektive gerät der Satz „Ich poste, also bin
ich“ zum „cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) unserer Zeit: Er ist die
Maxime der virtuellen Selbstdarsteller der Post(s)moderne. Wobei die einzelnen
Posts oder Tweets mit Denken im engeren Sinne meist nicht viel zu tun haben -
leider.
Dabei ist weniger meistens mehr - das gilt
im Besonderen für die Nutzung von Facebook und Twitter. Ich für meinen Teil
werde mich daran halten. Versprochen.